WAZ: „Luftangriffe schützen die Bevölkerung nicht“

Der Nahostexperte Jochen Hippler von der Universität
Duisburg-Essen befürchtet, dass die militärische Intervention Gaddafi
nicht entmachten und den blutigen Krieg in die Länge ziehen wird.

„Die Angriffe können zwei Ziele verfolgen: Den Schutz der
Bevölkerung, das ist legal. Und den Sturz Gaddafis – das widerspräche
dem UNO-Beschluss“, sagte Hippler den Zeitungen der Essener
WAZ-Mediengruppe. „Die Luftangriffe werden aber beide Ziele nicht
erreichen“, so der Wissenschaftler vom Institut für Frieden und
Entwicklung (INEF) der Universität. Man könne die Zivilbevölkerung
mit einer Flugverbotszone nicht wirksam schützen. Luftangriffe
könnten nur wirken, wenn es klar identifizierbare Konfliktparteien
gibt. „In Libyen aber gibt es wie in Afghanistan zahlreiche Gruppen,
die derzeit ihr eigenes Süppchen kochen“. Da seien
Unabhängigkeitskämpfer, Verbrecherbanden, Demokraten, Stämme,
extremistische Organisationen, „und im Süden bewaffnen sich derzeit
Männer, um nun an der Seite Gaddafis einzugreifen.“ Nicht, weil sie
dem Diktator helfen wollten, sondern um zu verhindern, dass der Osten
mit seinen Öleinnahmen sich abspaltet. „In so einer Situation helfen
Luftangriffe womöglich Leuten, denen man gar nicht helfen will. Das
ist nicht richtig schlau.“

Er sieht nur einen Ausweg: Wenn man der Bevölkerung helfen wollte,
hätte man humanitäre Hilfe leisten und Blauhelmsoldaten mit einem
robusten Mandat zwischen den Konfliktparteien platzieren müssen. „Man
kann den Menschen nicht helfen, wenn man mit einem Flugzeug über sie
hinwegfliegt, man muss unten vor Ort sein.“ Wenn die Angriffe nach
einigen Wochen ohne Erfolg bleiben, wenn Gaddafi weiter morden lässt,
werde im Westen unweigerlich eine Diskussion um die Entsendung von
Bodentruppen beginnen. Hippler: „Wir haben wieder eine Politik, die
die Sache nicht vom Ende her denkt.“

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