Sie arbeiten härter als andere. Sie halten die
Familie hoch. Sie machen einen Bogen um staatliche Auffangnetze. Sie
zahlen Steuern und verhalten sich in überwältigender Zahl
gesetzestreu. Sie sind keine Belastung. Sie sind der unersetzbar
billige Schmierstoff im Maschinenraum der US-Wirtschaft.
Trotzdem sind die rund zwölf Millionen Illegalen in Amerika, in
der Mehrzahl Latinos, Bürger dritter Klasse. Rechtlos. Immer mit
einem Bein im Abschiebe-Gefängnis. Stets in der Angst, dass
Familienbande von staatlicher Willkür zerschnitten werden. Für ein
Land, das seine Erfolgsgeschichte auf Einwanderung gründet, ein
erbärmlicher Zustand. Ihn zu beenden, wie Präsident Obama es jetzt
auf eigene Faust unter hohen Auflagen für fünf Millionen Betroffene
getan hat, war darum nur ein überfälliger Akt der Wiedergutmachung.
Ein erster Schritt, dem eine umfassende Reform folgen muss. Sie
könnte das zerstrittene Land mit sich versöhnen. Aber jetzt werden
die Gräben noch tiefer.
Von „Staatsstreich“ sprechen die Wutbürger-Republikaner, sogar von
„Amtsenthebung“. Obamas Alleingang ist für sie das Gebaren eines
„Imperators“. Beleidigte Leberwürste! Elendes Ablenkungsmanöver!
Purer Unsinn! Obama bewegt sich wie seine republikanischen Vorgänger
Bush und Reagan, die auch an der Einwanderung herumgedoktert haben,
zwischen den Planken des Rechtsstaats. Sein Solo gehorcht nicht dem
demokratischen Lehrbuch. Aber es war notwendig, um Stillstand zu
beenden. Unter dem zerstörerischen Einfluss ihres populistischen
Tea-Party-Flügels verweigern sich die Konservativen seit Jahren einer
Lösung.
Es liegt nun an Mitch McConnell und John Boehner, den
Parteiführern im Kongress, die Radikalen zu bändigen und mit neu
gewonnenen Mehrheiten Regierungsfähigkeit zu beweisen. Politische
Racheakte verbieten sich. Etwa die Verknüpfung der Einwanderung mit
Gesetzen über die Liquidität des Staates. Anstatt das Land in
Geiselhaft zu nehmen, müssen die Republikaner ein eigenes
Reform-Konzept vorlegen. In 25 Jahren werden die Latinos die größte
Bevölkerungsgruppe in den USA stellen. Wer Wahlen gewinnen will, darf
sie nicht ständig vor den Kopf stoßen.
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