Ich konnte nicht anders.“ Das sagen Eltern, wenn
ihnen die Hand ausgerutscht ist, obwohl sie ihre Kinder niemals
schlagen wollten. Das sagen Lehrer und Erzieher, wenn passiert ist,
was nicht passieren darf. „Ich konnte nicht anders“ – das sagen auch
pflegende Angehörige, wenn sie Kraft und Nerven verloren haben und
die alte Mutter oder den betagten Vater gestoßen, geschlagen,
absichtlich grob behandelt haben. Was zeigt das? Gewalt gegen
Schutzbedürftige ist in Deutschland gesetzlich verboten, aber sie
kommt vor. Menschen, die von sich glaubten, sie würden niemals die
Kontrolle verlieren, müssen erkennen: Das Leben geht manchmal über
die eigenen Kräfte. Wer dann zuschlägt, tut etwas Verbotenes, er
verletzt einen Anderen – er verletzt aber auch sein eigenes
Moralsystem. Die Lage ist peinlich – im eigentlichen Sinn des Wortes.
Wer sich dennoch traut, darüber zu sprechen, hilft anderen und sich
selbst. Man sollte das unterstützen. Jede Stadt, jeder Kreis braucht
ein Pflege-Notruftelefon. Für die Opfer, sicherlich, aber gerade auch
für Menschen, die wider ihre Überzeugung zu Tätern geworden sind. Der
Rest ist bekannt: Gegen Überforderung helfen erstens höhere
Pflegesätze, zweitens bessere Heime und drittens die Einsicht, nicht
alles allein schaffen zu können.
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