WAZ: Pro-europäische Bedenkenträger. Kommentar von Knut Pries zum EuGH-Urteil

Mario Draghis „Bazooka“ ist unbenutzt geblieben und
war doch höchst wirksam: Auf den Tisch gelegt, reichte die
großkalibrige Geldspritze, um Spekulanten von Attacken auf den Euro
abzuhalten. Zu diesem – auch von Klägerseite nicht bestrittenen –
Erfolg kommt nun eine juristische Unbedenklichkeitsbescheinigung.
Beziehungsweise deren erster Teil. Denn das letzte Wort hat in diesem
Fall nicht Luxemburg, sondern Karlsruhe. Dem Bundesverfassungsgericht
hat der gescheiterte Kläger Gauweiler sogleich mitgeteilt, was es vom
Spruch der EU-Kollegen zu halten habe: „Eine Kriegserklärung!“ Die
Bundesregierung müsse dagegen gefälligst Front machen. Das wird sie
klugerweise bleiben lassen. Auch ist nicht zu vermuten, dass die
Karlsruher Richter auf Krawall gebürstet sind und den Luxemburger
Bescheid, den sie selbst erbeten hatten, nun in den Wind schlagen.
Überraschend kommt das Urteil ja keineswegs. Karlsruhe dürfte sich –
unter mehr oder minder vernehmbarem Zähneknirschen – damit abfinden:
zum einen, weil der EuGH immerhin Bedingungen festgelegt hat, an die
sich die EZB halten muss. Zum anderen, weil es die patenteste
Möglichkeit ist, zugleich pro-europäisch und Bedenkenträger zu sein –
und das ist die bevorzugte Rolle unserer Verfassungshüter.

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