WAZ: Teures Erbe der fetten Jahre. Kommentar von Sibylle Raudies

Ob eine Stadt mit weniger als 200 000
Einwohnern wie Herne oder Mülheim eine U-Bahn braucht, sei
dahingestellt. Jede wirtschaftlich auch nur halbwegs durchdachte
Antwort müsste wohl „Nein“ lauten. Aber solche Fragen hat man sich
bei der Planung in Zeiten des Überflusses gar nicht erst gestellt.
Die Region vernetzen, Metropole werden, davon träumten die
Stadtväter.

Zumal Bund und Land die schnellen Bahnen zu 90 Prozent bezahlten.
Da dachte niemand an die Folgekosten, die die Kommunen längst nicht
mehr alleine stemmen können. Doch U-Bahnen lassen sich nicht so
leicht abreißen wie all die Schwimmbäder aus jenen fetten Jahren, von
denen wenige überlebten. Die Abrisskosten wären unverantwortlich
hoch. Ebenso wie der Komfortverlust für Nahverkehrsnutzer.

Denn auch wenn Herne nicht New York ist und selbst Düsseldorf nach
heutigen Wirtschaftlichkeitsberechnungen auch ohne U-Bahn ein gutes
und viel preisgünstigeres Nahverkehrsnetz hinbekommen könnte: Bequem
ist so eine U-Bahn schon. Der Herner liebt seine U-Bahn nach Bochum,
genauso wie der Düsseldorfer seine schnellen Bahnen. Das beweisen die
rasant gestiegenen Fahrgastzahlen. Deshalb müssen Bund und Land jetzt
einspringen. Sanierungen werden durch langes Aufschieben nur noch
teurer. Und noch mehr Autos in den Städten können wir uns erst recht
nicht leisten.

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