WAZ: Torschlusspanik beim Kita-Ausbau – Kommentar von Julia Emmrich

Mit dem Krippenausbau ist es wie mit dem
Pfingstfest. Es kommt nicht überraschend. Man muss nur in den
Kalender schauen. Beim Krippenausbau steht da seit Jahren:
Rechtsanspruch ab August 2013, für alle Kinder unter drei. Und soll
keiner sagen, er wisse nicht, was das bedeutet: Viele kleine Kinder
brauchen viele gute Erzieher. Das ist das eine. Das andere ist:
Innerhalb eines Jahres kann keiner 12 000 Erzieher ausbilden.
Doch so viele fehlen in den alten Bundesländern. Mindestens. Was also
ist zu tun? Der Rechtsanspruch gilt als unantastbar. Der
Qualitätsanspruch nicht. Wo Erzieher fehlen, könnten freiwillige
Helfer einspringen, heißt es jetzt. Das ist pragmatisch und kostet
nicht viel. Und es ist denkbar, dass mancher Freiwillige ein Händchen
für Kinder hat. Ältere Kindergartenkinder freuen sich ja schließlich
auch über jeden neuen Praktikanten – Hauptsache, er kann Fußball
spielen. Doch wer jeden Tag eine Rasselbande mit Windelkindern,
Krabbelkindern und Lauflernkindern fürsorglich begleiten soll,
braucht nicht nur guten Willen. Wenn die Krippenzeit für die
Kleinsten mehr sein soll als Verwahrung, wenn es um Bildung geht,
dann brauchen sie kein Personalkarussell aus Praktikanten und
Hilfskräften, sondern verlässliche, hochwertig ausgebildete Erzieher.
Die Gefahr ist groß, dass die Politik aus Torschlusspanik Standards
runterschraubt.

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