WAZ: Unfaire Verteilung als Prinzip – Kommentar von Knut Pries zu EU und Flüchtlingen

Die irische Hauptstadt kann nichts dafür – aber sie
steht jetzt für das Versagen der europäischen Asylpolitik. „Dublin“
ist die Chiffre für den jahrzehntealten, nunmehr gescheiterten
Versuch, das Problem zu marginalisieren: Es wurde an den Rand
geschoben. Die Kernbestimmung des Dublin-Verfahrens besagt: Ein
Flüchtling hat seine Bewerbung um Anerkennung dort abzugeben, wo er
zuerst EU-Boden betritt.

Es liegt auf der Hand, dass dies vorrangig die Länder mit langer
EU-Außengrenze betrifft, besonders wenn auf der anderen Seite
Zuwanderungsdruck entsteht. Damit wurde unfaire Verteilung zum
Prinzip erhoben, zulasten der Mittelmeeranrainer und später
beitretender östlicher Mitgliedstaaten, zum Nutzen der Länder im
Norden und Westen. Auch die Bundesrepublik, in den Neunzigerjahren
noch in panischer Furcht vor der Vorstellung „Einwanderungsland“,
legte sich seinerzeit für die schiefe Regelung ins Zeug.
Massenandrang in Verbindung mit Schengen-Freizügigkeit haben sie
erledigt. Dublin ist tot, und das ist gut so.

Die EU nähert sich der Erkenntnis, dass sie das vermeintlich
randständige Problem gemeinsam hat. Deutschland, überwältigt von der
Macht des Faktischen, hat sich zu dieser Erkenntnis schon durchringen
müssen. Den Integrationsmuffeln im Osten wird sie nicht erspart
bleiben.

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