WAZ: Unternehmer wollen Urlaub kürzen – Einstellen statt Verzicht fordern – Kommentar von Christopher Onkelbach

Flexibler, schneller, länger, billiger – man könnte
meinen, der ideale Arbeitnehmer wäre ein Blechroboter. Auf zwei
Wochen ihres Jahresurlaubs sollen die Arbeitnehmer nach Ansicht des
Unternehmerverbandes mittelständische Wirtschaft in Zukunft
verzichten. Jetzt, da der Aufschwung rollt, werde jede Hand
gebraucht. Die Deutschen seien Europameister im Urlaubmachen, so wird
der Vorstoß begründet. Sieht man genauer hin, entpuppt sich das
Argument als Luftnummer: Deutschland gehört zu den Ländern, die mit
20 Tagen den geringsten gesetzlichen Urlaubsanspruch in Europa haben,
ergab eine Studie. Zum Vergleich: In Finnland und Frankreich sind es
30 Tage, in Großbritannien 28, in Polen 26, in Österreich und
Griechenland jeweils 25. In der Realität haben deutsche Arbeitnehmer
zwar deutlich mehr Urlaub als der Gesetzgeber vorschreibt. Tariflich
stehen den meisten Beschäftigten 30 Tage zu. Doch auch wenn man die
Gesamtzahl der freien Tage betrachtet, liegt Deutschland in Europa
allenfalls im Mittelfeld. Die Zahlen zeigen nicht alles: Nach Angaben
des Instituts für Wirtschaftsforschung verzichten rund 30 Prozent der
Beschäftigten zu Gunsten ihres Betriebs auf einen Teil ihrer
Urlaubstage. Immer mehr Beschäftigte fallen nicht mehr unter
tarifliche Regelungen, was sich auch auf die Urlaubsansprüche
auswirkt. Und mit dem Hinweis, den Aufschwung nicht gefährden zu
dürfen, nahmen die Arbeitnehmer in der Vergangenheit bereits
Einschränkungen in Kauf. Der Niedriglohnsektor wuchs, ebenso die Zahl
der befristet Beschäftigten, auf Lohnzuwächse wurde verzichtet. Und
was kommt als nächstes? Die Forderung nach der
60-Stunden-Woche?Anstatt Urlaubsverzicht zu verlangen, wäre es eher
angebracht, jetzt Arbeitskräfte einzustellen.

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