WAZ: Winterfeste Bahn – Kommentar von Dietmar Seher

Alle reden vom Wetter. Auch die Bahn muss es –
anders als zu Zeiten des legendären Werbeslogans – wieder tun. Ein
Winterchaos wie das im vergangenen Jahr würde ihr Ansehen ganz
ruinieren. Sie steckt also zusätzliche Millionen Euro ins Netz: Für
„Frost-Teams“, neue Heizlüfter, Ultraschallanlagen in Dortmund, wo
die Achsenpannen-anfälligen ICE durchleuchtet werden. Vielleicht
gelingt es Grube & Co., so Verspätungen und Zugausfälle zu
reduzieren. Es ist ein erster, richtiger Schritt. Im Kern muss mehr
passieren. Der neue Infrastrukturbericht zeigt, dass im letzten Jahr
jeden Tag und unabhängig vom Wetter 564 Störungen aufgetreten sind.
So viel wie nie zuvor. Das deutsche Schienennetz ist in den Jahren
unter Hartmut Mehdorn als Vorbereitung eines imaginären Börsengangs
massiv auf Verschleiß gefahren worden. Ob Kunden beim Warten
einfroren, war unwichtig. Hauptsache, die Bilanz glänzte angesichts
der erhofften Käufer des Staatsunternehmens. Mehdorns Zeiten sind
vorbei. Gestern forderten Experten vor dem Bundestag von Nachfolger
Grube und Eigentümer Staat eine viel drastischere Kehrtwende: eine
Bahnreform, die nicht den Gewinn, sondern die Dienstleistung in den
Mittelpunkt stellt. Zum Beispiel die, dass alle vom Wetter reden
müssen, nicht aber die Bahn.

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