WAZ: Zum Glück gehört der Zweifel – Kommentar von Julia Emmrich zur Mütter-Studie

Es gibt Mütter, die sind pausenlos glückliche
Mütter. Zumindest wirken sie so: Gelassen, kraftvoll und immer
lächelnd steuern sie den Familientanker um Untiefen und durch schwere
See. Sie wollten Kinder, sie haben Kinder – und sie bereuen nichts.
Und dann gibt es all die anderen Mütter. Teilzeit-Glückliche,
Halbtags-Entspannte. Frauen, die nach einem langen Tag aufs Sofa
fallen und sich den Gedanken erlauben, wie das Leben ohne Kinder
wäre. Mehr Selbstbestimmung, weniger Verantwortung, weniger Sorge.
Und die ihrer besten Freundin stecken: Es gibt Tage, da wünsche ich
mir mein altes Leben zurück.

Es ist banal – aber längst durch Studien belegt: Eltern sind auf
Dauer nicht glücklicher als Kinderlose. Wer Kinder hat und nicht
ständig innerlich vor Freude über sein Lebensmodell glüht, muss sich
also deshalb noch keine Sorgen machen. Es ist im Gegenteil sogar gut,
über Zweifel nachzudenken: Zu jeder großen Lebensentscheidung gehören
auch die Krisenmomente: War es wirklich richtig? Wer würde ich heute
sein, ohne Kinder? Es wäre seltsam, wenn ausgerechnet bei der
Entscheidung für Kinder alles von Anfang bis Ende rosarot wäre.

Wer sich seine Zweifel nicht erlaubt, verbraucht nicht nur unnötig
Kraft, um die Fassade der glücklichen Elternschaft aufrecht zu
erhalten, er verpasst auch die Chance, Dinge zu ändern. Was war denn
so schön am alten Leben? Die Freiheit? Dann bitte schön: Freiheiten
kann man organisieren. Die Sorglosigkeit? Dann los: Verantwortung
kann man teilen. Einfach mal versuchen.

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