Im ersten Weltkrieg, der heute vor 100 Jahren mit 
dem Einmarsch des deutschen Heeres in Luxemburg begann, war das noch 
möglich: eine befristete Waffenruhe, um wenigstens die Toten zu 
bergen, bevor das mörderische Schlachten weiterging. Es war ein 
letztes Restchen europäischer Zivilisiertheit, dem sich alle 
Kriegsparteien verpflichtet fühlten, so erbittert und erbarmungslos 
sie sich auch bekämpften. Dieser Minimalkonsens ging schon 30 Jahre 
später im Weltanschauungskrieg verloren: Der Feind war nicht mehr 
ebenbürtig – folglich galt es nicht mehr, ihn zu besiegen, sondern 
ihn zu vernichten. „Totaler Krieg“ heißt vor allem eines: totaler 
Verzicht auf allgemeingültige Regeln. Für sogenannte asymmetrische 
Konflikte wie in Vietnam, Afghanistan, Syrien oder jetzt in Gaza gilt
dies auch. Die materiell unterlegene Seite sieht in der bewussten 
Verletzung internationaler Standards die Möglichkeit, eine Art 
perverse Chancengleichheit herzustellen. Dann werden eben auch Waffen
in Schulen gelagert, aus Wohngebieten heraus andere Wohngebiete 
beschossen, gefangene Soldaten in Geiselhaft genommen. Die materiell 
überlegene Seite reagiert nicht mit den gleichen Mitteln, setzt dann 
aber ihre Feuer- und Vernichtungskraft zunehmend bedenkenlos ein. Das
Ergebnis ist immer das gleiche: unverhältnismäßig viele zivile Opfer,
gesteigerter Hass und weiter sinkende Chancen auf irgendeine 
Verständigung. In Gaza reicht es jetzt nicht einmal mehr dazu, 72 
Stunden lang Leichen zu bergen und die Zivilbevölkerung mit dem 
Notwendigsten zu versorgen. Die völlig einseitigen Schuldzuweisungen 
der UN helfen da ebenso wenig wie die Friedensappelle von Papst 
Franziskus oder Bundesaußenminister Steinmeier. Auch die gemeinsamen 
Friedens- und Toleranzbekundungen von wohlmeinenden Christen, Juden 
und Muslimen werden verpuffen, denn in Gaza tobt ja gar kein 
Religionskrieg: Die Hamas will den Staat Israel auslöschen, nicht 
aber alle Juden – und Israel will die Hamas militärisch vernichten, 
nicht aber möglichst viele Muslime töten. Dieser Krieg wird erst 
enden, wenn die Hamas ihre letzte Rakete verschossen hat und sich ihr
letzter Kommandeur ergibt oder umbringt. Israel wird die Ruinen von 
Gaza aber weder dauerhaft besetzen noch gar verwalten und 
wiederaufbauen wollen. Es gibt also zwei Perspektiven: 
Demilitarisierung und Wiederaufbau unter jahrelanger robuster 
internationaler Vormundschaft – wie im Kosovo. Oder vorübergehende 
Anarchie mit am Ende neuen, aber völlig unberechenbaren 
Machtstrukturen bei weitgehender Verelendung – wie in Somalia.
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