Die spinnen, die Schweizer!“ würde der dicke
Gallier Obelix wohl wieder sagen – aber das ist erstens die
französische Sicht aufs Arbeitsleben und zweitens zu schlicht
gedacht. Denn wenn sich die Schweizer mit satter Zweidrittel-Mehrheit
gegen eine Verlängerung des gesetzlichen Mindesturlaubs aussprechen,
sollte man nicht leichtfertig auf kollektive alpine Geistesschwäche
schließen. Zunächst einmal zeigt die magere Wahlbeteiligung von rund
45 Prozent, dass das Thema „endlich mehr Urlaub“ die Eidgenossen
nicht gerade umtreibt. So überfordert und ausgebrannt scheinen die
Arbeitnehmer also gar nicht zu sein, wie der Gewerkschaftsverband
Travail Suisse mit seiner Initiative nahegelegt hat. Woran liegt das?
Schaut man sich die Wirtschaftsstruktur der Schweiz an, fällt auf,
dass dort drei von vier Beschäftigten im Dienstleistungsbereich
arbeiten. Die körperlich hart arbeitenden Malocher in der
Maschinenbau- oder Chemieindustrie machen gerade einmal 23,4 Prozent
aus. Was die meisten Schweizer neben einem hohen Arbeitsethos – also
Fleiß und Gründlichkeit – aber noch eint, ist ein im europäischen
Vergleich überdurchschnittliches Einkommen. Und die ebenfalls
überdurchschnittlichen Lebenshaltungskosten werden dadurch mehr als
ausgeglichen, dass den Schweizern reichlich Netto vom Brutto bleibt.
Hart arbeiten lohnt sich hier eben auch – anders als in Deutschland
gibt es keine kalte Steuerprogression, die Gehaltssteigerungen im
unteren und mittleren Bereich gleich wieder auffrisst. Der Irrglaube,
dass mehr Urlaub die Folgen von Stress und Arbeitsverdichtung
ausgleichen könnte, ist ja auch hierzulande verbreitet. Dabei mangelt
es eher an einem befriedigenden materiellen Ertrag der Arbeit. Und
häufig auch an etwas, das den Arbeitgebern nicht einmal Kosten
verursachen würde: Interesse an den Beschäftigten und Anerkennung für
deren Leistung. Da ist die Schweiz vielleicht schon weiter.
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