Weser-Kurier: Kommentar zur Debatteüber den Wachstumspakt

Jetzt also Wachstum. Wachstum soll nun das
Allheilmittel für die Euro-Schuldenkrise sein. Gestern waren es noch
Euro-Bonds. Vorgestern der Fiskalpakt. Davor Anleihen-Aufkäufe der
Europäischen Zentralbank, wiederum davor Rettungsschirme aller Art
gegen Spekulanten und all die anderen bösen Geister von der
Finanzfront. Und ganz am Anfang stand das Rettungspaket für
Griechenland. Das mit dem Wachstum ist im Grunde ja eine ganz gute
Idee. Aber ein Wachstumspakt für die kriselnden Euro-Staaten würde
doch nur gelingen, wenn dafür die anderen Euro-Staaten so richtig
viel Geld in die Hand nehmen würden. Das aber bedeutet auch: so
richtig viele neue Schulden in diesen Ländern. Auch in Deutschland.
Und das ist bekanntlich die Heimat von Adam Riese, dem Begründer des
modernen Rechnens. Die Deutschen sollten also eigentlich am besten
wissen, dass eine Schuldenkrise mit noch mehr neuen Schulden kaum
beseitigt werden kann. Dazu kommt, dass Wachstumsimpulse in der Regel
da verfangen, wo sie auf eine funktionierende Wirtschaftsstruktur
treffen. Im Fall Griechenlands muss man – ganz vorsichtig formuliert
– zumindest ernsthaft infrage stellen, ob das der Fall ist. Und auch
in den anderen Euro-Krisenländern Spanien, Portugal oder Italien
behindern viel Bürokratie und nicht zuletzt auch Korruption Wachstum.
Der Ruf nach dem Königsweg mag für Politiker verlockend sein. So
bieten sich einfache Erklärungen an für ziemlich komplizierte
Vorgänge. Und derzeit gibt es kaum etwas Komplizierteres als die
Situation der Euro-Staaten – im Schraubstock der Schuldenkrise
festgeklemmt, vor sich hergetrieben von den Finanzmärkten, der
Profitgier der Spekulanten ausgeliefert und schließlich sich selbst
im Weg stehend durch Uneinigkeit und ein untaugliches Vertragswerk.
Der Ausweg aus diesem Dilemma wird nur gelingen, wenn sich alle zu
mehr Gemeinsamkeit verpflichten.

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