Die Attacke war kein Zufall: Beim Kongress am
Sonnabend in Berlin schoss sich Sigmar Gabriel auf den von Angela
Merkel verordneten Sparkurs für Europa ein. Der SPD-Chef setzte sich
so ein Stück von der Regierungspolitik ab, geht auf den Kreuzzug für
die Armen im Süden Europas. Auch innenpolitisch setzt die SPD wieder
stärker auf das Thema soziale Gerechtigkeit: Immer lauter kommt etwa
die Forderung nach einer Vermögenssteuer. Nach links, zur Mitte,
wieder nach links – so rückte Gabriel seine Partei hin und her.
Zuerst nach der verkorksten Bundestagswahl 2009, vier Jahre später
für den Wahlkampf mit Peer Steinbrück, jetzt als Reaktion auf das
Dauertief in Umfragen. Sonderlich glaubwürdig wirkt das mehrfache
Umsteuern nicht. Zerbröselt sind dabei die Kernkompetenzen, wie etwa
auch in der Umfrage des WESER-KURIER vom Mai deutlich wird:
Ausgerechnet bei Arbeit, Wohnungspolitik und Bildung sind die
Mehrheit der Bremer mit der Arbeit des SPD-dominierten Senats
unzufrieden. Gabriels erneuter Ruck nach links ist ein Akt der
Verzweiflung. Die SPD ist der große Verlierer der wuchtigen
Veränderungen in der Parteienlandschaft. Die Linke stellt radikale
Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit, die Grünen verbinden das
Thema geschickt mit Fragen der Nachhaltigkeit. Merkel hat ihre CDU
hin zur Mitte gerückt, buhlt dort um bürgerliche SPD-Wähler. Und
manch ein konservativ tickender Genosse findet sogar Gefallen an der
AfD. Die alte SPD, wie sie früher an Rhein und Ruhr oder zu Hans
Koschnicks Zeiten in Bremen zu finden war, sie gibt es nicht mehr.
Die Arbeiterfamilie, die dem Sprößling das Parteibuch in die Wiege
legte, ist längst Nostalgie. Auf diesen strukturellen Wandel haben
die Genossen bislang keine klare Antwort gefunden. Linke, Grüne, FDP
und auch die AfD bedienen Milieus, auf deren Stimmen sie sich
verlassen können. Und die CDU ist und bleibt die Volkspartei Nummer
eins. Die Sozialdemokraten hingegen sind auf der Suche – nach der
neuen SPD.
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