Der Reformbedarf ist groß, der Reformwille eher
schwach. Lag die Zahl der Pflegebedürftigen 1995 noch bei 1,7 sind es
inzwischen bereits 2,4 Millionen, Tendenz steigend. Bei stetig
sinkender Bevölkerungszahl wird die Betreuung der Pflegebedürftigen
zu einem immer größeren Problem – finanziell und personell. Dafür,
darin sind sich die Experten einig, müsste schon jetzt Vorsorge
getroffen werden. Mit einer umfassenden Reform, die sowohl die
Leistungen für die zu Pflegenden an deren Bedürfnisse anpasst,
Prävention und Rehabilitation verankert und die Situation pflegender
Angehöriger verbessert. Damit diese dem Arbeitsmarkt in Zeiten
wachsenden Fachkräftemangels nicht verloren gehen. Dazu gehört auch
eine bessere Pflege-Infrastruktur und eine Steigerung der
Attraktivität der Pflegeberufe. All das aber leistet der
Reformentwurf von Gesundheitsminister Daniel Bahr leider nicht, weil
Union und FDP der Mut verlassen hat, mit einem neuen und an die
Realitäten angepassten Pflegebegriff die Voraussetzungen für eine
wirkliche Reform zu schaffen. Darüber können die notwendigen und
längst überfälligen Verbesserungen der Leistungen für Demenzkranke
nicht hinwegtäuschen. Immerhin ist das Problem nun erkannt, auch wenn
zwischen Erkenntnis und Umsetzung immer noch eine große Lücke klafft.
Das gilt umso mehr für die geplante steuerliche Förderung privater
Pflegezusatzversicherungen. Das, was nach dem ursprünglichen Willen
der Liberalen einmal das Herzstück der Reform werden sollte, entpuppt
sich als Mogelpackung, weil Finanzminister Wolfgang Schäuble nicht
mehr als 200 Millionen Euro Steuerausfälle hinnehmen will und eine
Zulage wie bei der Riester-Rente abgeblockt hat. Da winken nicht nur
die Versicherer ab, die Zusatzpolice ist allenfalls auch nur für
Gutverdiener als weitere steuerliche Gestaltungsmöglichkeit
interessant. Menschen, die mit einer Vorerkrankung wie MS leben
müssen, werden sich eine private Zusatzversicherung ohnehin nicht
leisten können.
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