Weser-Kurier: Kommentar zur Reform des Verfassungsschutzes

Hans-Peter Friedrich hat mit seiner ruhigen Art dem
Amt des Innenministers das Sheriff-Image genommen. Im Streit um die
zukünftigen Strukturen des Verfassungsschutzes lässt es der CSU-Mann
aber etwas sehr bedächtig angehen. Zumal, wenn man Friedrich und auch
Verfassungsschutz-Chef Heinz Fromm an ihren eigenen Worten misst.
Gestern skizzierten sie die Sicherheitslage: Radikalislamistische
Gruppen bleiben eine permanente Gefahr. Salafisten haben einen
beängstigenden Zulauf an jungen Anhängern. Gewalttaten in der
linksextremistischen Szene haben zugenommen. Und unter Neonazis gibt
es Sympathien für die NSU-Terrorbande, Nachahmer sind nicht
ausgeschlossen. Jede Menge Arbeit also für die Schlapphüte, so möge
man meinen. Doch stellt sich die Frage, ob die ihre Arbeitszeit immer
sinnstiftend verrichten, wenn sie zum Beispiel 27
Bundestagsabgeordnete der Linken beobachten. Oder die
„Nordkaukasische Separatistenbewegung“ beäugen, obwohl nach
Einschätzung des Verfassungsschutzes von deren 500 Anhängern
hierzulande keine Bedrohung ausgeht. Es ist viel dran an der
Forderung, dass sich der Geheimdienst auf seine Kernaufgabe
konzentrieren sollte: Nämlich solche Kräfte zu observieren, die
unsere Sicherheit und Demokratie tatsächlich bedrohen. Die Zwickauer
Zelle hingegen konnte nahezu unbehelligt zehn Jahre lang mordend
durchs Land ziehen. Möglich wurde dies, weil ein Bundesamt und 16
Landesämter dieselben Aufgaben übernehmen, eifersüchtig ihre
Kommunikationsdefizite pflegen und sich manchmal sogar gegenseitig
das Leben schwer machen. Friedrich sieht den Verfassungsschutz als
„Frühwarnsystem“ unserer Demokratie. Im Falle der NSU hat dieses
System trotz eines großen Apparates kläglich versagt. Das liegt auch
an der überholten Struktur des Dienstes. Er sollte politisch
motivierte Gewalttaten verhindern – nicht nur zählen.

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