Normalerweise laufen Tarifverhandlungen immer nach
demselben Schema ab: Die eine Seite jammert, wie schlecht es ihr gehe
und verlangt mehr Geld. Die andere Seite jammert über zu hohe Kosten
und ist höchstens bereit, um des lieben Friedens willen geringfügig
mehr zu zahlen. Am Ende der Jammerei einigt man sich meist nach
langen nervenaufreibenden, leidenschaftlich über die Medien
ausgetragenen Zänkereien auf einen Kompromiss, den jede Seite dann
als Resultat ihres eigenen Verhandlungsgeschicks preist. Anders ist
die Situation bei den Honorarverhandlungen zwischen Krankenkassen und
den rund 130.000 niedergelassenen Ärzten im Land. Da beide Seiten
sich dank relativ guter Finanzlage beim Jammern äußerst schwertun,
muss schon ganz tief in die Trickkiste gegriffen werden, um den
jeweiligen Standpunkt für die breite Bevölkerung zumindest
ansatzweise nachvollziehbar zu machen. Die Krankenkassen etwa, die
zuletzt wieder einen Milliardenüberschuss erwirtschaftet hatten,
haben eigens eine Studie in Auftrag gegeben, nach der die
niedergelassenen Ärzte schlicht überbezahlt sind. Sie wollen deren
Vergütung um gut sieben Prozent senken statt erhöhen. Das lassen sich
die Ärzte, die sich freilich für unterbezahlt halten, nicht gefallen.
Obwohl ein Arzt mit eigener Praxis laut Kassen-Studie ein
durchschnittliches Jahreseinkommen von 134.000 Euro erzielt und damit
zu den Spitzenverdienern im Lande zählt, lehnen die Ärzteverbande
Honorarkürzungen ab und fordern stattdessen eine Erhöhung – um satte
elf Prozent. Andernfalls drohen sie mit Streik. Schließlich müssten
vor allem Landärzte ums wirtschaftliche Überleben kämpfen, so die
Argumentation. Ein Sparkurs sei nicht hinnehmbar. Dass es zugleich
viele Mediziner gibt, die nach wie vor prächtig verdienen, wird dabei
geflissentlich verschwiegen. Die Gelackmeierten sind – wie auch immer
die weiteren Verhandlungen verlaufen – die Patienten. Bei Streiks und
Honorarkürzungen stehen sie vor geschlossenen Arztpraxen, während sie
von den Überschüssen der Kassen keinen Cent erstattet bekommen. Bei
höheren Ärztehonoraren drohen hingegen höhere Kassenbeiträge. Und die
zahlen am Ende ebenfalls: die Patienten.
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