Westdeutsche Zeitung: Air Berlin mit dem Rücken zur Wand – jetzt kommt Mehdorn = von Annette Ludwig

Joachim Hunold hat zur Notlandung angesetzt: Er
legt die Rettung seines Lebenswerks in die Hände von Hartmut Mehdorn.
Diese gewiss nicht leichte Entscheidung verdient Respekt. Air Berlin,
das war Joachim Hunold. Nun folgt auf den als hemdsärmelig geltenden
Düsseldorfer ein ebenfalls zupackender Manager. Auch der frühere
Bahnchef liebt es, unter Druck zu arbeiten. Daran wird es bei der
angeschlagenen Airline nicht mangeln. Auf Mehdorn wartet ein hartes
Stück Arbeit. Da sind zum einen hausgemachte Probleme: Joachim Hunold
hat in den vergangenen Jahren eine Reihe von Unternehmen für Air
Berlin zusammengekauft: die angeschlagene „dba“, die verlustreiche
LTU und zuletzt die Städteverbindungen von Tuifly. Die Integration
dieser Gesellschaften unter einem Dach ist bisher nicht gelungen;
eine Sanierung erst recht nicht. Ein klares Geschäftsmodell?
Fehlanzeige. Während die Konkurrenten im beinharten Wettbewerb
entweder als Billigflieger Furore machten oder auf der Langstrecke
mit lukrativen Geschäftsreisenden punkteten, wollte Air Berlin auf
allen Hochzeiten tanzen. Doch Geld hat Deutschlands zweitgrößte
Airline damit nicht verdient. Im Gegenteil: Das Unternehmen sitzt auf
einem Schuldenberg von mehr als 600 Millionen Euro. Ein Polster für
Turbulenzen gibt es nicht. Genau das hätte Hunold aber jetzt
gebraucht. Flugausfälle durch Vulkanasche, Luftverkehrssteuer,
Unruhen in Nordafrika, hohe Kerosinpreise, der geplante
Emissionsrechte-Handel – die Liste der Herausforderungen für die
Branche ist lang. Weltweit stehen die Konzerne unter enormem Druck.
Das zeigt dieses Beispiel: Siemens rechnet in diesem Jahr mit 7,5
Milliarden Euro Gewinn, die gesamte Luftfahrtbranche wird dagegen
nach Prognosen ihres Weltverbandes gerade einmal 2,8 Milliarden Euro
Gewinn einfliegen. Bei Air Berlin wird Hartmut Mehdorn mehr verändern
müssen als das, was der scheidende Vorstandschef Hunold gestern
bereits angekündigt hat. Die Fluggesellschaft steht mit dem Rücken
zur Wand. Der frühere Bahnchef sagt, es müsse eine Menge passieren,
um wieder profitabel zu werden. Das klingt nach harten Schnitten.
Selbst eine Zerschlagung von Air Berlin scheint nicht ausgeschlossen.

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