Westdeutsche Zeitung: Aus Recht wird Glücksspiel (Kommentar zur Datenschutzverordnung von Ulli Tückmantel)

Das Maß der Rechtstreue, auf das ein Staat bei
seinen Bürgerinnen und Bürgern zählen darf und zählen können muss,
hat er in erster Linie selbst in der Hand. Der Bestand jeder
Rechtsordnung ist zu allererst davon abhängig, dass möglichst viele
Bürgerinnen und Bürger überhaupt wissen oder erkennen können, was
Recht und was Unrecht ist. Wo Bürger aber rätseln müssen, ob sie im
Einklang mit dem Recht handeln oder Unrecht begehen, ob sie rechtens
oder unrechtmäßig behandelt werden, gerät etwas ins Schwimmen. Genau
das passiert gerade im Zusammenhang mit der
Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), die angeblich die
Verbraucherrechte stärken soll. In Wahrheit verwandelt die DSGVO
gerade komplette Rechtsbereiche in ein staatlich lizenziertes
Glücksspiel für geschäftstüchtige Anwälte, die sonst nichts zu tun
haben. Da wird der Gerichtssaal zum Casino: Der eine Anwalt erzählt
diese Geschichte, der andere Anwalt jene, und wenn der Richter
„Bingo“ ruft, hat einer gewonnen; zumindest bis zur nächsten Instanz.
Beispiel Kopplungsverbot: Ein Online-Shop verlangt von Kunden beim
Kauf die Zustimmung, ihm künftig Werbung schicken zu dürfen –
wahrscheinlich unzulässig. Kann aber auch anders sein. Beispiel:
Recht auf Datenmitnahme. Wer einen Anbieter wechselt, darf alle seine
Daten (Freundeslisten, Kontakte etc.) mitnehmen und kann verlangen,
dass sie an einen neuen Anbieter überspielt werden. Wie funktioniert
das in der Praxis? Abwarten! Klären wahrscheinlich Gerichte.
Beispiel: Privates Fotografieren auf der Straße. Das war bisher kein
Problem, so lange die Fotos nicht veröffentlicht wurden. Je nach
Auslegung der DSGVO ist Fotografieren nun eine Datenerhebung. Die
Folge? Abwarten! Achten Sie auf Anwaltspost! Und so weiter. Bei der
DSGVO scheint es sich eher um eine Glaubensfrage als um Recht zu
handeln; gut gemeint, schlecht gemacht, und noch schlechter
kommuniziert.

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