Westdeutsche Zeitung: Das deutsche Rentensystem braucht eine neue Konstruktion = von Lothar Leuschen

Die Form der Diskussion um die Rente hat schon
Züge von Panikmache angenommen. Das zeigt sich spätestens daran, dass
die Zukunft einer Ministerin an die Umsetzung ihres Plans geknüpft
wird. Dabei hat Ursula von der Leyen zunächst nur einen Vorschlag
gemacht. Das muss sie tun als Bundesministerin für Arbeit, gerade und
vor allem in der Rentenfrage. Denn es ist keine Panikmache, darauf
hinzuweisen, dass die Rentenhöhen für viele, die heute in Lohn und
Brot stehen, so gering sein könnten, dass ein auskömmliches Leben
ohne Hilfe des Staates unmöglich wäre. Die Fakten sprechen dafür,
dass von dieser Zukunft Hunderttausende von Arbeitnehmern bedroht
sind. Denn niedrige Einkommen führen zu niedrigen Beitragszahlungen
in die Rentenkasse, und das wiederum führt zu niedrigen Renten. Die
Zuschussrente wäre ein Gegenmittel. Bedenklich ist aber, die
Zuschussrente davon abhängig zu machen, dass Geringverdiener auch
privat für die Rente vorgesorgt haben. Das dürfte für viele
Mini-Jobber schlicht unmöglich sein. Und damit ist auch noch nicht
die Sorge der Frauen entkräftet, die nie gearbeitet haben, weil es
früher üblich und unausgesprochen vom Staat auch gewollt war, dass
der Vater arbeitet und die Mutter sich um die Kinder kümmert. Von der
Leyens Vorschlag lässt viel zu viele Fragen offen. Deshalb ist es
schade, dass SPD-Chef Sigmar Gabriel schon eine aus Steuern
finanzierte Alternative vorgeschlagen hat, mit der die Ministerin
sich anfreunden könnte. Dazu trägt vermutlich auch der Gegenwind bei,
den ihr Modell in der Union erfährt. Es spricht zwar nichts dagegen,
ein so gewichtiges Thema wie die Rente im parteiübergreifenden
Konsens zu bearbeiten. Aber die Altersvorsorge ist durch den
demografischen Wandel und durch sich verändernde Lebensentwürfe in
den vergangenen Jahrzehnten zu einer der ganz großen
Herausforderungen für eine Industriegesellschaft geworden. Deshalb
gilt: So wenig wie Plattitüden, nach denen die Rente sicher ist, dem
Thema gerecht geworden sind, so wenig helfen vorschnelle Antworten.
Die Rente und jene, die künftig von ihr leben müssen, haben es
verdient und nötig, dass über Altersvorsorge abseits von Wahlkampf
und frei von Ideologie grundsätzlich diskutiert wird.

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