Westdeutsche Zeitung: Das System Merkel gerät auch in der Union unter Beschuss – Der ungemütliche Sommer der Angela M. Von Martin Vogler =

Wenn Politiker eine Debatte herbeireden
möchten, greifen sie gerne zu einem fiesen Trick: Sie warnen
eindringlich exakt vor dieser Debatte. Funktioniert garantiert. Ob
CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrichs Mahnung, dass „das
Letzte, was wir jetzt brauchen können, eine Führungsdebatte“ sei, von
ihm exakt so geplant war, mag gerne sein Geheimnis bleiben. Denn es
steht ohnehin fest: Pünktlich zum Beginn der Sommerpause des
Parlaments ist das Feuer auf das sogenannte System Merkel eröffnet.
Und zwar aus aus den eigenen Reihen.

An Heftigkeit kaum zu überbieten ist der Vorsitzende der
Unions-Mittelstandvereinigung, Josef Schlarmann. Wenn er Merkel
vorwirft, sie lasse die Partei inhaltlich ausbluten und frustriere
die Mitglieder, formuliert er nicht nur Kritik an Sachthemen wie
Gesundheits- und Atompolitik. Es scheint, dass ihn wie viele andere
stört, wie Angela Merkel konsequent alle internen möglichen Rivalen
kalt stellt. Beispielsweise kann man einen Strategen wie Friedrich
Merz zwar noch bei Vortragsveranstaltungen erleben, doch in der
Politik vermag er keine Akzente mehr zu setzen. Die Kanzlerin hat es
in den vergangenen Jahren geschafft, mit Verdrängen oder Wegloben
zwar Konkurrenten auszuschalten, doch hat sie damit ihrer Partei
substanziell geschadet. Jetzt schlägt das auf sie zurück – es wird
ungemütlich.

Auch andere Unions-Politiker, die ihr wie Hans-Peter Friedrich auf
den ersten Blick beizustehen scheinen, können anders interpretiert
werden. Ist Ilse Aigners Nationalmannschafts-Vergleich ein
unbewusstes Eigentor, oder vielleicht doch Stichelei gegen Merkel?
Die Forderung der CSU-Frau, Union und FDP sollten zu
Gemeinschaftssinn und Mannschaftsleistung wie die Fußballer bei der
WM finden, ist gefährlich: Denn viele behaupten, die seien nur so
erfolgreich gewesen, weil der Kapitän nicht dabei sein konnte.

Angela Merkel wird den unbequemen Fragen nicht entrinnen können.
Dazu dürfte auch NRW am Mittwoch mit der Ministerpräsidenten-Wahl
beitragen: Wenn Hannelore Kraft Jürgen Rüttgers ablöst, rückt in der
CDU des Landes die Frage wieder stärker ins Bewusstsein, wie weit das
System Merkel in Berlin Mitschuld an der NRW-Wahlniederlage im Mai
trägt.

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