Westdeutsche Zeitung: Der Bundespräsident auf heikler Mission in Griechenland = von Hagen Strauß

Im Amt des Bundespräsidenten könnte man es sich
auch bequemer machen. Joachim Gauck schont sich jedoch nicht. Der
Bundespräsident geht dorthin, wo es unbequem werden kann. Es zieht
ihn zu den Stätten, wo Deutsche während des Zweiten Weltkrieges
gewütet haben, um dort um Vergebung zu bitten; er reist in die
Länder, zu denen die Bundesrepublik eine besondere Beziehung hat – im
Guten wie im Schlechten. Sucht man nach fast zwei Jahren im Amt eine
Mission des Bundespräsidenten, dann ist es die: versöhnen und
ermutigen. Es ist zugleich ein schmaler Grat, auf dem Gauck da
wandelt. Er muss wie jetzt in Griechenland angemessene Worte finden,
ohne dabei den Eindruck zu hinterlassen, er könne über das Wort
hinaus operativ und politisch etwas bewirken. Wie kompliziert das
ist, zeigt der Konflikt um die Reparationen, der bei Gaucks Reise
nach Athen unerwartet heftig zutage getreten ist. Gauck hat
zweifellos hinzugelernt. Kurz nach seinem Amtsantritt sorgte er noch
für Verwirrung, als er bei seiner Israelreise Merkels Versprechen
infrage stellte, die Sicherheit Israels sei deutsche Staatsräson. Er
musste damals kleinlaut zurückrudern. Seitdem ist dem Präsidenten
klar: Er ist kein Neben-Außenminister, er kann Impulse setzen, aber
politisch nicht viel wagen. So hat er auch in Griechenland agiert.
Das zwingt Gauck jedoch förmlich dazu, vor allem moralisch zu
argumentieren – und zu sein. Dabei ist er gleichwohl ehrlich und
authentisch, wie er an Orten der NS-Gräuel in Tschechien, Italien,
Frankreich und jetzt Griechenland gezeigt hat. Gauck muss freilich
aufpassen, dass seine Vorsicht nicht Überhand gewinnt. Ein allzu sehr
geschliffener Präsident wird es schwer haben, sich Gehör zu
verschaffen. Zur Ukraine hat er sich noch nicht geäußert, obwohl ein
paar präsidiale Sätze dazu angebracht wären. In Griechenland hätte er
zudem ein sicherlich viel beachtetes Zeichen setzen können, wenn er
sich nicht nur mit Intellektuellen oder Existenzgründern getroffen
hätte, sondern auch mit Menschen, die von der Krise extrem betroffen
sind. Das hat er nicht getan. Der Präsident hat sich auf seine
Europarede beschränkt, um Solidarität zu zeigen. Für viele Griechen
dürfte das zu wenig gewesen sein.

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