Bis zur nächsten Bundestagswahl sind es –
vorausgesetzt, die schwarz-gelbe Bundesregierung verliert nicht
vorher die Nerven – noch zwei Jahre. Eine halbe Ewigkeit also im
schnelllebigen Politzirkus. Jede Partei wäre dumm, wenn sie schon
jetzt ihren Kanzlerkandidaten küren und damit im Zweifel verheizen
würde. Bei der SPD läuft dennoch schon seit Wochen alles auf den
derzeit etwas unterbeschäftigten Peer Steinbrück hinaus, der sich
quasi als Wunderwaffe der deutschen Sozialdemokratie selbst in
Position gebracht hat. Bis gestern. Da verkündete Parteichef Sigmar
Gabriel überraschend, dass auch er Kanzler kann. Politisches Kalkül?
Oder schlicht eigener Machtanspruch? Fest steht: Der Kampf ist
eröffnet. Ob sich die SPD damit aber in diesen Zeiten einen Gefallen
tut, darf stark bezweifelt werden. Die öffentliche Diskussion über
Personaltableaus mag auf den ersten Blick unterhaltsam erscheinen.
Die Bürger jedoch erwarten in diesen Tagen und Wochen mehr von ihren
Politikern. Sie erwarten ein scharfes inhaltliches Profil. Sie
erwarten Ernsthaftigkeit. Und sie erwarten Antworten auf drängende
Fragen: Nach der Zukunft des Euro. Dem Umgang mit einem Schuldenberg,
dem nachfolgende Generationen niemals Herr werden können. Und nach
einer Definition für den Sozialstaat von morgen. Die SPD und ihre
Kandidaten wiegen sich in einer trügerischen Sicherheit, wenn sie
glauben, dass die jüngsten Landtagswahlen den direkten Weg in die
Regierungsverantwortung bedeuten. Bei genauem Hinsehen machen sich
die Sozialdemokraten im Bund in den Umfragen nicht viel besser als
bei ihrer Wahlniederlage im Herbst 2009. Sie müssen sich den Status
einer Volkspartei erst wieder verdienen. Die Basis wird letztlich
darüber entscheiden, ob das mit einem Sigmar Gabriel gelingt, der von
der Politik verlangt, dass sie „nordkurventauglich“ ist. Oder mit
einem Peer Steinbrück, der zwar kantig und kompetent auftritt, aber
nicht gerade als Liebling der Partei gilt. Es ist indes auch nicht
ausgeschlossen, dass die beiden Kontrahenten noch links überholt
werden. Wenn Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit am
Sonntag einen grandiosen Wahlsieg einfährt, dürfte er – frei nach
Schiller – rufen: „Ich sei, gewährt mir die Bitte, in Eurem Bunde der
Dritte.“
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