Westdeutsche Zeitung: Der Umweltsprit, der keiner ist = Von Vera Zischke

Der Biosprit E 10 sollte Deutschland nur Gutes
bringen: mehr Unabhängigkeit vom Erdöl und weniger CO2-Abgase. Nach
zwei Monaten sieht die Bilanz dagegen bitter aus. Er hat vor allem
viel gekostet und nichts gebracht. Die Mineralölkonzerne haben nach
eigener Aussage inzwischen 300 Millionen Euro in die Umrüstung ihrer
Tankstellen gesteckt und versucht, den Sprit mit der Brechstange
durchzusetzen. Zunächst erhöhten sie drastisch die Preise für
herkömmliches Super: Jetzt versucht es Shell sogar mit einer E
10-Versicherung. Das ist ein Marketingcoup, der als letzter
verzweifelter Versuch zu verstehen ist. Die Verbraucher fühlten sich
bislang völlig zu Recht gegängelt und weigern sich, den Sprit zu
tanken. Aber nicht nur aus Trotz gegenüber den Ölkonzernen. Eine
Umfrage des Mineralölwirtschaftsverbandes ergab: 50 Prozent der
Tankstellenkunden lehnen E 10 ab, weil sie nicht bevormundet werden
wollen. 46 Prozent tanken ihn nicht, weil sie glauben, dass er der
Umwelt schadet. Genau das ist das Problem des Kraftstoffes: Viele
würden ihn sicherlich tanken, wenn sie überzeugt wären, damit etwas
Gutes für die Umwelt zu tun. Genau das Gegenteil scheint aber der
Fall zu sein. Je mehr darüber debattiert wird, desto klarer wird,
dass Treibstoff aus Biomasse gar nicht ökologisch sein kann. Er
forciert den Anbau schädlicher Monokulturen, verschlingt
landwirtschaftliche Flächen und Unmengen kostbaren Wassers. Er treibt
Lebensmittelpreise in die Höhe und führt zu fragwürdigen
Subventionsprogrammen. Bis heute hat es die Bundesregierung nicht
geschafft, nachvollziehbar zu erklären, warum E 10 trotzdem der
richtige Weg ist. Die nun erneut aufkeimende Ethik-Debatte ist daher
wichtig und kommt zur richtigen Zeit. Denn ausgestanden ist die
missglückte Einführung des Biosprits für Konzerne und Regierung noch
lange nicht, auch wenn in den vergangenen Wochen andere Themen
dominierten. Eine neue Debatte könnte die Regierung endlich dazu
zwingen, sich der andauernden Skepsis der Verbraucher zu stellen. Sie
sollte Fakten präsentieren statt Imagekampagnen anzukündigen. Und im
Zweifelsfall ihre Entscheidung revidieren – auch wenn keine
Landtagswahlen anstehen.

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