Westdeutsche Zeitung: DerÖlmarkt macht in Panik = Ingo Faust

Der Ölmarkt macht gerade das, was er schon
häufiger gemacht hat, er macht in Panik. Die wohl um ein Drittel
ausgefallene libysche Tagesförderung von 1,6 Millionen Barrel (Fass
von 159 Litern) hat ausgereicht, innerhalb von wenigen Tagen den
Preis für Erdöl um ein Fünftel nach oben zu treiben. Knapp 120 Dollar
pro Barrel sind aber bereits früher gezahlt worden – 2008 waren es
rund 145 Dollar je Fass. Die Panik unter den Ölhändlern war aber
damals längst nicht so groß wie heute. Die Lage ist heute allerdings
explosiver, weil niemand weiß, wohin die Reise noch geht. Die
ausfallenden Ölmengen aus Libyen kann die Opec – allen voran die
Saudis – noch locker ausgleichen. Was passiert aber, wenn
Saudi-Arabien als wichtigstes Förderland der Welt selbst zum Ziel von
Protestlern wird? König Abdullah hat die Gefahr erkannt und seinem
Volk noch schnell Beruhigungspillen verordnet. Die Regierung hat ein
36-Milliarden-Dollar schweres Wohlfahrtsprogramm aufgelegt. Damit
soll erstmals Arbeitslosengeld gezahlt und die Wohnungsknappheit
bekämpft werden. Die wegen der Produktionsstopps in Libyen und der
Angst vor einer künftig möglichen Knappheit ausgelöste Verteuerung
beim Rohöl hat aber erstaunlich schnell auf den Produktmarkt
durchgeschlagen. Noch sind die Tanker gar nicht angekommen, da
klettern bereits die Preise an den Zapfsäulen auf schwindelerregende
Höhen. 1,53 Euro für den Liter Benzin und 1,43 Euro für Diesel sind
vielerorts üblich. Da drängt sich wieder der übliche Verdacht auf,
dass sich jemand ungerechtfertigt die Taschen vollsteckt. Beweisen
konnte den Ölmultis aber bisher niemand ein solches Vorgehen. Bis
sich die Lage in Nordafrika und Teilen Arabiens wieder entspannt hat
und zu durchschauen ist, heißt es, einen kühlen Kopf bewahren. Angst
war schon immer ein schlechter Ratgeber. Die Worst-Case-Szenarien
(schlechtester Fall) haben derzeit zwar wieder Konjunktur, dürften
sich aber überwiegend als falsch heraustellen. Voraussagen wie
„Ölpreis bald über 250 Dollar“ oder „Benzin für zwei Euro“ bringen
zwar hohe Einschaltquoten, stehen aber auf tönernen Füßen. Ehe die
Welt in Depression verfällt, muss schon mehr geschehen, als dass ein
Gaddafi aus Libyen gejagt wird.

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