Westdeutsche Zeitung: Die beste aller Lösungen = von Peter Lausmann

Die Vernunft hat gesiegt. Das Votum der
Schotten gegen eine Abspaltung vom Vereinigten Königreich ist das
Beste, was Schotten, Briten und Europäern passieren konnte. Ein Ja
hätte nicht nur für Schottland unkalkulierbare Risiken gebracht,
sondern hätte in vielen EU-Staaten wie Spanien und Italien eine
Lawine des Separatismus lostreten können. Auch wenn die Probleme und
Tendenzen im Baskenland, Katalonien und Südtirol bleiben – sie sind
zumindest nicht verschärft worden. Bleibt nun alles beim Alten?
Mitnichten! Die Wahlbeteiligung war zwar so hoch, dass das Votum
politisch nicht anzufechten ist. 45 Prozent Opposition zu London
zeigen aber auch, dass dringender Gesprächsbedarf besteht. Downing
Street bewegt sich nun zügig und löst das Versprechen ein, das es
angesichts einer immer dynamischeren Abspaltungstendenz gegeben
hatte: Mehr Selbstbestimmung für die Regionen – vor allem in
Steuerfragen. Nur so lassen sich möglichst viele der Ja-Wähler wieder
auf die Seite des britischen Bundes ziehen. Die Schotten bekommen
also Aufmerksamkeit und Zugeständnisse, ohne zugleich die
Unwägbarkeiten der plötzlichen Eigenständigkeit tragen zu müssen.
Damit tun sie nicht nur dem Königreich einen Gefallen, indem sie eine
Modernisierungsdebatte erzwingen, sondern auch ganz Europa. Es wird
hoffentlich ein heilsamer Schock für Premier David Cameron sein, der
die schottische Frage zunächst unterstützte und mit seiner
EU-Austritts-Polemik indirekt noch befeuerte. „Better together“ –
besser gemeinsam – sein Flehen für den Verbleib der Schotten gilt im
Umkehrschluss genauso für die EU. Jede separierende Stimmungsmache
gegen Brüssel und den „Kontinent“ verliert vor dem Hintergrund des
Votums jede Glaubwürdigkeit. Brüssel kann zumindest ein bisschen
aufatmen. Die pro-europäischen Schotten bleiben als Korrektiv zu den
europa-skeptischen Engländern erhalten, was einen Austritt
Großbritanniens weniger wahrscheinlich macht. Zudem hat das Votum
gezeigt, dass die Mehrheit für sachliche Gespräche ist und gegen die
Brechstangenmethode. Langfristig ist das Nein daher auch ein Gewinn
für die national eingestellten Schotten, die sich gestern als
Verlierer fühlten.

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