Westdeutsche Zeitung: Die Erwartungen an den Papst-Besuch sind groß = von Alexander Schulte

Da kann Benedikt selbst noch so sehr abwiegeln
und bremsen, sein Deutschland-Besuch wird eine große Show, ein
Massen-Medien-Event erster Güte. Und das ist gar nicht schlimm. Denn
warum nicht sollen die Menschen auf Straßen, Plätze oder ins
Olympiastadion strömen, um den ersten deutschen Papst seit fast 500
Jahren in seiner Heimat zu erleben? Oder in den Bundestag, wo man
schon kleinkariert gestrickt sein muss, um seine Rede zu
boykottieren.

Wichtiger für die deutschen Christen freilich ist allemal, was
Benedikt sagen wird. Er wird ja viel sagen, sehr viel, mindestens 17
Reden umfasst sein Programm. Aber trifft er auch den Nerv, die Nöte
und Ängste der Menschen, zumal seiner Kirche? Da darf man skeptisch
sein, zu oft schon haben sich auf ihn projizierte Hoffnungen in
Richtung Aufbruch als illusorisch entpuppt.

Dabei wären gerade in der deutschen Kirche klare Fingerzeige
angesagt. Nicht nur wegen der Missbrauchsfälle, der stetig wachsenden
Zahl von Austritten und der stetig sinkenden Zahl der
Gottesdienstbesucher. Oder wegen des eklatanten Priestermangels.
Sondern, weil die deutsche Kirche zudem – ganz unkatholisch –
besonders zerrissen ist zwischen fortschrittlichen Reformern und
konservativen Hardlinern. Immer unversöhnlicher stehen die sich vor
allem in der Bischofskonferenz gegenüber – wobei die Konservativen um
Meisner, Müller und neuerdings Woelki und Overbeck inzwischen
Oberwasser haben. Und es scheint, dass dies durchaus im Sinne von
Benedikt XVI. ist.

Natürlich darf die Kirche nicht leichthin ihre Tradition(en)
aufgeben oder sich gar anbiedern an den Zeitgeist. Aber erst recht
nicht darf sie sich sektiererisch in eine Dogmen-Trutzburg
zurückziehen, kurzum: von der realen Welt mit ihren Menschen
abwenden. Genau das jedoch fürchten viele Katholiken in den
Gemeinden.

Und dann ist da noch die Ökumene, Benedikt selbst hat sie als
Eckpunkt seines Besuches bezeichnet. Aber befeuert er sie auch? Kann
er sich – gerade in Erfurt – überwinden und Martin Luther
rehabilitieren? Gibt er ein versöhnendes Abendmahl-Signal an
gemischt-konfessionelle Ehepaare? Schön wär–s. Allzu große Hoffnungen
indes sollte sich da keiner machen.

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