Westdeutsche Zeitung: Die Klimaforscher müssen die Menschen informieren – Das Weltklima ist ein schweres Schwungrad Ein Kommentar von Werner Kolhoff

Wenn im Bürogebäude zu oft Brandschutzübungen
durchgeführt werden, nehmen die Angestellten die Sirene nicht mehr
ernst. Der Weltklimarat hat in der Vergangenheit wohl zu oft und zu
laut Alarm gerufen für den Gegenstand, um den es geht. Denn das
Weltklima ist ein schweres, globales Schwungrad. Der Meeresspiegel
steigt, das ist bewiesen. Aber im Millimetertempo. So langsam
schmelzen auch die Gletscher. Es wird wärmer. Ja. Aber nicht an der
Nordsee, im letzten Urlaub. So denken viele. Es sind bei diesem
speziellen Alarm sozusagen weder Rauch noch Feuer zu sehen, und die
Aussage, dass es trotzdem schon längst brennt, erscheint den Menschen
wenig plausibel.

Deswegen, und weil jede Veränderung ökonomische, politische und
soziale Kräfte kostet, haben es die Lobbyisten des „Weiter so“
leicht. Wenn dann noch, wie einst geschehen, in den Klimaberichten
Fehler und Manipulationen festgestellt werden, ist endgültig alles
klar. Noch jeder kann einen Wahlkampf gewinnen, wenn er sagt: Wir
machen den Klimaquatsch nicht mit. Erstens, weil wir die
Arbeitsplätze brauchen, und zweitens, weil wir nicht die einzigen
sein wollen, die sich einschränken. So verhält sich die Politik, im
Zweifel auch die angeblich so vorbildliche deutsche. Siehe die
Debatte um die EU-Abgaswerte für Autos. Erst recht die USA.

Es ist schon komisch, dass sich gerade US-Außenminister John Kerry
jetzt so alarmiert zeigt über den Klimabericht. Denn er ist
Repräsentant eines Landes, das pro Kopf am meisten CO2 von allen
ausstößt und jede wirksame globale Klimapolitik bisher verhindert
hat.

Im Moment blockieren sich alle gegenseitig bei den
Weltklimakonferenzen. Zehntausende von Experten reisen durch die
Welt, um der Schnecke Klimaschutz beim Fort- und Rückschreiten
zuzusehen. Dieses Jahr trifft man sich in Lima, nächstes Jahr in
Paris. Dort gibt es die für lange Zeit letzte Chance, ein
verbindliches Abkommen zu erzielen. Zu erwarten ist jedoch nicht,
dass die Staaten aus dem neuen Bericht mehr entnehmen werden, als aus
den früheren. Die Klimaforscher müssen trotzdem weitermachen, denn
einer muss die Daten sammeln und die Menschen immer wieder möglichst
nüchtern informieren. Bis sie hören. Oder eben fühlen.

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