Wenn der Bundespräsident an den Chefredakteur
der „Bild“ appelliert, dass die „in einer außergewöhnlich emotionalen
Situation gesprochenen Worte ausschließlich für Sie und für sonst
niemanden bestimmt waren“, so ist das nachvollziehbar. Wer würde
nicht empört reagieren, wenn er einem anderen etwas auf die Mailbox
spricht und der Empfänger die Nachricht in alle Welt hinausbläst?
„Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann müsste zwar kaum eine
Strafverfolgung fürchten, wenn er den Inhalt der Nachricht nicht nur
in Form einer Inhaltsangabe, sondern auch im Originalton öffentlich
machte. Paragraf 201 des Strafgesetzbuches droht bei Verletzung der
Vertraulichkeit des Wortes drei Jahre Strafe an. Doch setzt das
voraus, dass jemand „unbefugt“ das nicht öffentlich gesprochene Wort
aufnimmt oder verbreitet. Wulffs Telefon wurde aber nicht angezapft,
er hat die Nachricht aus eigener Initiative hinterlassen. Dennoch
gebietet es zumindest der Anstand, dass auch die „Bild“ den
Originalton nicht gegen den Willen Wulffs veröffentlicht. Der
Bundespräsident hat wie jeder andere ein Persönlichkeitsrecht. Er
muss es sich nicht bieten lassen, dass alle Welt nun Ohrenzeuge
seiner offenbar sehr emotionalen Mailboxnachricht wird. Das hat nicht
nur etwas mit der Würde der Person, sondern auch mit der in diesen
Tagen viel beschworenen Würde des Amtes zu tun. Allerdings verbessert
die jüngste Wendung nicht gerade die Position des Staatsoberhauptes.
Seine in dem Fernsehinterview geäußerte Version, er habe nur auf eine
Verschiebung der Berichterstattung über seinen Hauskredit gedrängt,
widerspricht der Version der „Bild“, er habe die Veröffentlichung
insgesamt unterbinden wollen. Aussage steht gegen Aussage, wobei die
„Bild“ ein Beweismittel in der Hand hat, das sie jederzeit doch noch
veröffentlichen oder beispielsweise einem neutralen Schiedsrichter
vorspielen könnte. Bis dahin bleiben Zweifel, ob der Bundespräsident
in demselben Interview, in dem er den Menschen Transparenz versprach,
die Unwahrheit gesagt hat. Vor immerhin 11,5 Millionen
Fernsehzuschauern. Es geht um seine Glaubwürdigkeit. Eine
Eigenschaft, ohne die ein Bundespräsident nicht Bundespräsident sein
kann.
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