Westdeutsche Zeitung: Fluglotsenstreik = von Martin Vogler

Wenn heute nicht noch ein kleines Wunder
geschieht, steht Deutschland vor dem ersten großen Fluglotsenstreik
der Nachkriegsgeschichte. Bereits am Mittwoch kann es losgehen.
Besonders bitter für Familien: In vielen Bundesländern – auch in NRW
ist in knapp zwei Wochen letzter Schultag – fiele der Ausstand in die
Herbstferien. Harte Bänke am Flughafen statt Sonnenliegen im Süden
drohen.

In kaum einer Branche kann eine mikroskopisch kleine Gruppe mit
einem Streik so viel ausrichten. Nur 1900 Fluglotsen könnten den
deutschen Luftverkehr fast völlig lahmlegen. Neben Urlaubern und
Geschäftsreisenden wären die Luftfahrtgesellschaften stark betroffen.
Verständlich, dass vor allem die Lufthansa auf Rücksichtnahme der
Lotsen hofft, zumal sie mit dem Konflikt zwischen Gewerkschaft und
Deutscher Flugsicherung nichts zu tun hat und deshalb auch dessen
Ausgang nicht beeinflussen kann.

Immerhin scheinen sich die Lotsen ihrer Verantwortung bewusst zu
sein, indem sie Signale aussenden, dass es nicht zu
24-Stunden-Ausständen wie in Griechenland kommen würde. Das ist ein
schwacher Trost.

Für die Streikenden wäre es sowieso schwer, Sympathien oder
zumindest Verständnis zu gewinnen. Wer bis zu 130 000 Euro im Jahr
plus Zulagen verdient, regelmäßig Regenerationskurse besuchen darf
und mit 55 Jahren in einen finanziell auskömmlichen Vorruhestand
geschickt wird, löst eher Neidreflexe aus.

Andererseits muss man den Lotsen zugestehen, dass ihre Tätigkeit
mit einer riesigen Verantwortung verbunden ist. Ein
Flüchtigkeitsfehler kann im Extremfall zu einer gewaltigen
Katastrophe führen. Fitness ist da wichtig. Und ein sehr gutes Gehalt
wird ihnen niemand verwehren. Was auch für die aktuellen
Verhandlungen gilt, bei denen dem Vernehmen nach die Arbeitgeber
sogar fünf Prozent Steigerung angeboten haben.

Der Knackpunkt der Gespräche klingt schwieriger. Die Lotsen
fordern, künftig bei der Besetzung von Führungspositionen
mitbestimmen zu dürfen. Ihr Ziel: Statt Experten von außen soll
jemand aus ihren Reihen genommen werden. Klar, dass da aus Sicht der
Arbeitgeber die Mitbestimmung zu weit getrieben wird. Das wäre auch
ein fatales Signal für alle Wirtschaftszweige.

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