Wenn sich der sogenannte Schlächter vom Balkan
mehr als 15 Jahre lang verstecken kann, hat vielleicht die serbische
Staatsgewalt tief geschlafen. Oder sie hat, gelinde gesagt, nur sehr
halbherzig nach einem Mann gesucht, dem unter anderem die Tötung von
knapp 8000 muslimischen Männern und Jugendlichen in der einstigen
UN-Schutzzone Srebrenica vorgeworfen wird. Zudem konnte Ratko Mladic
nur erfolgreich untertauchen, weil in ihm viele unbelehrbare Serben
weiterhin einen Helden sehen. Fragen: Darf der Westen einem solchen
Staat wirklich vertrauen? Und ihn sogar in die EU aufnehmen?
Die Art und Weise, wie gestern die Verhaftung geschah und vor
allem kommuniziert wurde, ist nicht dazu angetan, dieses Misstrauen
zu zerstören. Zu deutlich ist der Verdacht, dass die serbische
Staatsführung ihre Polizei und ihren Geheimdienst längst hätte
zugreifen lassen können. Serbiens Präsident Boris Tadic könnte
geschickt dafür gesorgt haben, dass die Verhaftung exzellent in den
Terminplan der EU-Beitrittsgespräche passt. Als die
EU-Außenbeauftragte Ashton gestern in Belgrad landete, hatte Tadic
gerade die Festnahme von Mladic verkündet. Und spätestens als er –
ganz demokratischer Musterschüler – die Auslieferung Mladics an das
Den Haager Kriegsverbrechertribunal ankündigte, scheint Serbien
unaufhaltsam in die EU zu drängen.
Europa sollte sich die Aufnahme Serbiens gut überlegen. Die
Taktik, möglicherweise politisch schwierige Staaten zu umarmen und
damit einen Gefahrenherd auszuschalten, mag zwar ihre Berechtigung
haben. Aber gerade auch die Umstände des Falls Mladic lassen
grundsätzlich zweifeln, ob Serbien derzeit schon zum westlich-freien
Geist Europas passt. Zumal viele aktuelle Probleme zeigen, dass
bereits in den vergangenen Jahren die Öffnung der Gemeinschaft
ungesund schnell ablief. Mit einer eher abwartenden Haltung gegenüber
Serbien und anderen Kandidaten wäre die EU gut beraten.
Trotz dieser Zweifel ist vor allem auch Freude angebracht: Die
Verhaftung und Überstellung nach Den Haag sind ein – nicht nur für
die Opfer – wichtiges Signal in Richtung Gerechtigkeit. Außerdem wird
das Geschehen hoffentlich dazu beitragen, dass die ethnischen
Konflikte auf dem Balkan nie mehr hochkochen.
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