Westdeutsche Zeitung: Kommentar EY-Studentenstudie 2018: Dem Staat dienen/Von Ekkehard Rüger

Dass offenbar eine deutlich wachsende Zahl von
Studenten den sicheren Hafen des öffentlichen Dienstes ansteuert,
kann man lesen als Gegenreaktion auf eine Arbeitswelt im Umbruch. Die
Digitalisierung durchpflügt alle Bereiche, in Diensten des Staates
muss man vielleicht am wenigsten fürchten, dabei seinen Job zu
verlieren. Zukunftsforscher Horst Opaschowski spricht von einer
Stimmungswende bei der akademischen Jugend – hin zu den drei V:
Vertrauen, Verantwortung und Verlässlichkeit. Es ließe sich ein noch
größeres Fass aufmachen: Dann wäre der Trend auch Ausdruck einer weit
umfassenderen Unsicherheit, die sich vom Arbeitsleben löst und auf
rasante Umbrüche politischer Systeme und gar der gesamten Weltordnung
reagiert – mit einer Sehnsucht, von der schon die Band „Silbermond“
gesungen hat: „Gib mir –n kleines bisschen Sicherheit/in einer Welt,
in der nichts sicher scheint.“ Zu viel Küchenpsychologie? Der
Trendforscher Matthias Horx meint, ja: „Seit ich denken kann, ist der
öffentliche Diskurs von der Behauptung durchtränkt, durch ,allgemeine
Ängste– würden die Jüngeren immer mehr auf Sicherheit Wert legen. Das
kann man IMMER aus Menschen herausfragen.“ Aber zumindest scheint
doch klar: Die Auf- und Umbrüche, seien sie wirtschaftlicher oder
politischer Natur, erzeugen bei jungen Menschen nicht nur das Fieber,
dabei sein und an vorderster Front mitgestalten zu wollen, verbunden
mit allem Risiko, das jede Veränderung mit sich bringt. Sondern es
kann auch ein Zuviel an Veränderung und Ungewissheit geben, das
Skepsis hervorruft. Wenn diese Skepsis dann auf einen Sicherheit
verheißenden öffentlichen Dienst trifft, der flexibel auf Erwartungen
an einen modernen Arbeitsplatz reagiert, haben sich zwei gesucht und
gefunden. Dass im Ergebnis immer mehr Akademiker dem Staat dienen
wollen, der andererseits gerade von so vielen Seiten infrage gestellt
wird, ist ja auch vielleicht nicht die schlechteste Nachricht.

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