Man muss kein Prophet sein, um zu ahnen: Wenn
NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser in zwei Wochen den zweiten
Waldzustandsbericht ihrer noch kurzen Amtszeit vorstellt, wird er wie schon sein
Vorgänger den bis dato dramatischsten Zustand des nordrhein-westfälischen Waldes
seit Beginn der Untersuchungen beschreiben. Und ein Ende ist noch nicht
abzusehen: Noch weiß keiner, wann der Höhepunkt der Kalamität erreicht ist, wie
Fachleute die schwere Schädigung des Waldes vor allem durch den
Borkenkäferbefall bezeichnen. Ein bis zwei Jahre kann das durchaus noch dauern.
Danach ist der Wald nicht mehr das, was er einmal war.
Und so soll und wird er auch nicht mehr werden. Aber damit er überhaupt eine
Zukunft hat, muss dringend jene Kurzfristigkeit im Denken überwunden werden, die
gerne sowohl politische Prozesse als auch öffentliches Bewusstsein bestimmt:
Wenn ein Hitzesommer dem Wald sichtbar zusetzt, ist die Bestürzung groß; folgt
ein verregneter Herbst, ist alles schon nur noch halb so schlimm. Diesem
törichten Denken steht der Befund aller Fachleute unabhängig von ihrer sonstigen
Einstellung zur Bewirtschaftung der Wälder entgegen: Nötig ist ein langer
Planungshorizont, nötig sind auch verlässlich fließende Fördergelder in bisher
ungekanntem Maße.
Hans Joachim Schellnhuber, Mitglied des Weltklimarats und einer von Deutschlands
führenden Klimaforschern, bezeichnet funktionierende Ökosysteme als unsere
Verbündeten und einzig verbliebenen Freunde im Kampf gegen den Klimawandel. Der
Dreiklang von sozialer, ökologischer und wirtschaftlicher Bedeutung des Waldes
wird also neu verhandelt werden müssen. Am Ende werden voraussichtlich viele
kleine Mosaiklösungen stehen. Denn was Schellnhuber im Weltmaßstab fordert, gilt
auch für Nordrhein-Westfalen: „Wir müssen für jede Region eigene
Antwortstrategien finden.“
Aber egal wie diese Antworten im Detail ausfallen, sie müssen der Gesellschaft
im wahrsten Sinne etwas wert sein. Daher ist die Diskussion über eine
Honorierung für die Ökosystemleistungen des Waldes überfällig. Waldbesitzer, die
wie derzeit beim Beseitigen der Schadbestände ein Minusgeschäft machen, sind am
Ende für alle Schutz- und Umbaumaßnahmen unempfänglich. Für den NRW-Wald mit
seiner kleinteiligen Eigentümerstruktur wäre das tödlich.
Schellnhuber beziffert die Chance, dass die Weltgemeinschaft in Sachen
Klimaschutz noch die Kurve kriegt, auf gerade einmal 19 Prozent. Der Kampf
an der Waldfront ist dabei eine der entscheidenden Stellschrauben. Wir können
uns nicht erlauben, ihn zu verlieren.
Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2370
redaktion.nachrichten@wz.de
www.wz.de
Original-Content von: Westdeutsche Zeitung, übermittelt durch news aktuell