Westdeutsche Zeitung: Land muss das Wohl aller im Blick haben = von Peter Kurz

Zeitweise keine Beförderungen, keine
Neueinstellungen, nur noch Leitungswasser für Gäste der Staatskanzlei
– die Haushaltssperre nach dem Beamtenbesoldungsurteil des
NRW-Verfassungsgerichts vom 1. Juli konnte man auch so verstehen:
Seht her, weil die Beamten höhere Bezüge einklagen, müssen jetzt alle
den Gürtel enger schnallen. Die Botschaft: Der auf seine Rechte
pochende Beamte ist der Sündenbock. Das ist er natürlich nicht. Es
ist nicht verwerflich, für seine Rechte zu kämpfen. Und diese, das
hat das Münsteraner Urteil gezeigt, waren sehr wohl durch die gar zu
unterschiedlichen Regelungen für die Besoldungsgruppen verletzt
worden. Nun hat die Landesregierung die Gewerkschaften vor einem
Neuanlauf in die Planung eingebunden. In der Hoffnung, dass es dann
keinen Widerstand mehr gegen den Kompromiss gibt. Die meisten tragen
den neuen Plan zähneknirschend mit, wonach die Tarifabschlüsse
abgestuft auf alle Besoldungsstufen übertragen werden. Aber nicht
alle: Die Interessenvertretungen der Richter rufen zum weiteren
Widerstand auf. Richter und Staatsanwälte, so ihre Klage, hinkten der
allgemeinen Einkommensentwicklung hinterher. Die
Verwaltungsrichtervereinigung prangert gar einen
„Taschenspielertrick“ der Landesregierung an und ermuntert Beamte und
Richter zur weiteren Klage gegen die nun angestrebte
Besoldungsregelung. Bevor sie ihre Kollegen in weitere rechtliche
Scharmützel treiben, täten sie gut daran, bei der Lektüre des
Verfassungsgerichtsurteils nicht diejenigen Passagen auszublenden,
die ihnen nicht gefallen. Der Gesetzgeber hat danach sehr wohl einen
Spielraum und muss nicht die Bezüge für alle Beamten und Richter in
gleichem Umfang erhöhen. Auch darf er die Haushaltslage und die
künftige Schuldenbremse im Auge haben. In der Tat: Dies ist nicht nur
das Recht, sondern die Pflicht des Landes gegenüber allen Bürgern –
Nicht-Beamten und Beamten. Schon die jetzt gefundene Regelung
belastet den Etat zusätzlich mit 430 Millionen Euro jährlich. Will
man nicht neue Schulden machen, so muss das Geld an anderer Stelle
gespart (weniger Beamte, weniger Leistungen) oder hereingeholt
(höhere Steuern) werden.

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