Westdeutsche Zeitung: Lebensmittelkennzeichnung: Chance statt Bedrohung = von Peter Kurz

Beim Thema Lebensmittel gibt es große Probleme
und kleinere. Das große ist die Hungerkatastrophe im Osten Afrikas.
Dagegen nimmt sich das, was Verbraucherschützer hierzulande beklagen,
als Petitesse aus. In dem Bereich, den sich die Verbraucherzentralen
jetzt mit ihrem neuen Internetportal vorknöpfen, geht es nicht einmal
um die Lebensmittelsicherheit – die ist zu Recht Sache der Behörden.
Deren Überwachung darf man nicht der Initiative und dem Engagement
von Verbrauchern überlassen. Nein, es geht „nur“ um
Etikettenschwindel. Aber auch der ist zumindest ärgerlich. Ebenso
ärgerlich aber ist, dass angesichts der dem Verbraucher an die Hand
gegebenen Möglichkeit, Täuschungen auf Lebensmittelverpackungen zu
melden, schon von einem modernen Pranger gesprochen wird. Mehr als
das: von der Gefahr einer Existenzvernichtung. Dabei will das neue
Internetportal doch nur dies: Transparenz schaffen. Welch dubioses
Geschäftsmodell soll das sein, das den Verbraucher an der Nase
herumführt und dessen Aufdeckung eben dieses Geschäftsmodell in
seiner Existenz bedrohen soll? Es geht hier nicht um einen
Internetpranger, in den jeder alles ungeprüft hineinschreiben kann.
Verbraucherschutz-Experten filtern die Beschwerden. Weder dringt
offensichtlicher Unsinn auf der Plattform durch – etwa die
Beschwerde, dass eine Packung mit Studentenfutter keine Studenten
enthalte. Auch wettbewerbswidrige Kampagnen dürften auffliegen. Jeder
betroffene Hersteller hat Gelegenheit zu antworten und zu reagieren.
Haben die, die da vorsorglich schimpfen, etwa nicht verstanden, dass
eine solche Plattform den Herstellern eine große Chance bietet: im
Dialog auf ihre Kundschaft, von der sie doch leben, einzugehen? Es
ist ein Recht dieser Kundschaft zu erfahren, was in den immer neu auf
den Markt geworfenen Verpackungen drin ist. Durchaus auch, woher die
Zutaten stammen. Und ob sie unter ökologischen Bedingungen erzeugt
wurden. Die unmissverständliche Kennzeichnung ist nicht nur dafür
wichtig, was der Kunde geschmacklich zu erwarten hat. Bei Allergikern
geht es auch um die Gesundheit. Das neue Portal wird es schwieriger
machen, Geschäftsmodelle auf Intransparenz aufzubauen. Das ist gut
so.

Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2358
redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de