Normalerweise würde jetzt eine Diskussion über 
die Angemessenheit der 3,6 prozentigen Lohnsteigerung in der 
Stahlbranche Nordwestdeutschlands einsetzen. Doch das scheint bei 
diesem Tarifabschluss niemanden zu interessieren. Stattdessen fragen 
sich bundes- und branchenweit Geschäftsführungen, Gewerkschaften und 
Arbeitnehmer, was die neue Vereinbarung zur Zeitarbeit bedeutet. Noch
betrifft sie nur 3000 Leiharbeiter in der Stahlbranche. Doch schon 
wird die Idee diskutiert, diese Regelung auszuweiten. Das hätte 
enorme Sprengkraft – mit emotionalem, gesellschaftlichem und 
wirtschaftlichem Charakter. Wie läuft es jetzt? Unternehmen nutzen 
Zeitarbeit, um flexibel auf Auftragsspitzen zu reagieren. Vor echten 
Neueinstellungen schrecken sie auch deshalb oft zurück, weil sie sich
wegen des stark verankerten Kündigungsschutzes schwer wieder von den 
Mitarbeitern trennen können, falls sie sie nicht mehr benötigen. 
Soweit die Lehrmeinung. Allerdings ist die Zeitarbeit in Verruf 
geraten, weil Unternehmen sie nicht nur zum Abfedern von 
auftragsstarken Zeiten nutzen, sondern dank ihr dauerhaft einem Teil 
der Beschäftigten niedrigere Gehälter zahlen. In vielen Betrieben 
gibt es bereits eine Zwei-Klassen-Gesellschaft mit gut dotierten 
Stamm-Mitarbeitern und schlechter bezahlten Leiharbeitern, deren Jobs
zudem unsicherer sind. Etliche Unternehmen nutzen dafür nicht mehr 
externe Zeitarbeitsfirmen, sondern gründen gleich Töchter. Was ihnen 
den Vorwurf des Lohndumpings einbringt. Doch wenn die Stahlregelung 
Standard wird, können sie das vergessen. Im Gegenzug würden 
Zeitarbeiter jubeln. Sie hätten die Chance auf bessere Vergütung, 
wären also zumindest dem Kollegen, der beim Unternehmen direkt 
angestellt ist, finanziell ebenbürtig. Allerdings gibt es zumindest 
zwei Euphoriebremsen: Die Zahl der Arbeitsplätze für weniger 
Qualifizierte könnte rasch sinken. Und die positiven Beispiele, dass 
es schier aussichtslose Fälle dank Zeitarbeit wieder in ein normales 
Arbeitsverhältnis schaffen, würden rar. Doch wer weiß, ob die 
Stahl-Regelung wirklich Beispiel für andere Branchen wird? Denn schon
im Metall- und Elektrobereich ist das unwahrscheinlich, weil dort die
Leiharbeit eine bedeutend größere Rolle spielt.
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