Hoffen auf den Marsch der Millionen
Von Martin Vogler
Rekordpreise an der Tankstelle. Die Autofahrer sind sauer. Auch
weil sie wissen, dass das, was sie gerade einfüllen, von den
gestiegenen Weltmarktpreisen für Rohöl noch nicht beeinflusst sein
kann. Die Mineralölkonzerne verbessern trotzdem schon mal ihre
Einnahmen.
Doch hierzulande weiß man auch, dass dieser Ärger eine Lappalie
gegen das ist, was derzeit die Menschen in Libyen erdulden müssen.
Obwohl wahrscheinlich nur ein Teil der Wahrheit nach außen dringt,
sind wir schockiert. Wenn Gaddafis Kämpfer wahllos Menschen
niedermetzeln oder sogar in Krankenhäuser eindringen, um Patienten zu
töten, bleibt nur Entsetzen. Wer seine Landsleute mit Flugzeugen auf
Straßen und Plätzen angreift, dem traut man alles zu. Selbst eine
Attacke mit Giftgas auf oppositionelle Viertel und Städte würde
niemanden überraschen.
Die ständig steigende Brutalität Gaddafis ist allerdings auch ein
Zeichen, dass er mit dem Rücken zur Wand steht. Denn während andere
Diktatoren in aussichtslosen Situationen so etwas wie Einsicht zeigen
und sich ins Exil verabschieden, scheint Gaddafi da anders zu ticken.
Er will seine Position um jeden Preis verteidigen. Dazu gehört, dass
er in Kauf nimmt, sein Land mit in den Abgrund zu reißen. Insofern
müssen wir hoffen, dass seine Herrschaft schnellstmöglich endet.
Doch wie kann das klappen? Der von der Opposition angekündigte
„Marsch der Millionen“ erfordert unendlichen Mut, wird sicherlich
weitere Tote fordern, könnte aber zum Ziel führen. Denn der Sturz des
Despoten kann nur aus Libyen heraus geschehen. Das Ausland kann zwar
unterstützen, zu einer tragenden Rolle taugt es nicht. Die Sanktionen
der internationalen Staatengemeinschaft sind gut gemeint und ein
Signal der Solidarität für die Opposition, sie werden aber einen wie
Gaddafi nicht beeindrucken. Er wäre nur durch militärisches
Eingreifen in die Knie zu zwingen – aber eine solche internationale
Eskalation kann keiner ernsthaft anstreben.
Je schneller die Ära Gaddafi endet, desto besser: für die Menschen
in Libyen, aber auch für die Weltwirtschaft und die Stabilität in
Europa. Wobei sich jeder Staatschef, der einst den Despoten aus
durchsichtigen Motiven heraus umarmte, nachträglich unendlich schämen
sollte.
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