Westdeutsche Zeitung: Libyen auf der Zielgeraden im Kampf um seine Freiheit = Von Wolfgang Radau

Muammar al Gaddafi hat den Krieg gegen sein
eigenes Volk verloren. Ob der libysche Gewaltherrscher das einsieht,
wissen wir erst, wenn er gefasst und dingfest gemacht ist. Dann
vielleicht bricht für die Menschen im Land zwischen Meer und Wüste
die neue Zeit an, für die sie so gekämpft haben.

Entscheidend Anteil am zuletzt blitzartigen Erfolg der libyschen
Aufständischen hat die Nato. Die hat ihr Mandat, die Zivilisten im
Gaddafi-Land zu schützen, sehr großzügig ausgelegt und das
Machtzentrum des Despoten sozusagen sturmreif bombardiert. Das hat
mit Sicherheit schlimmeres Blutvergießen verhindert, und darum hat
die Nato einen guten Job gemacht.

Die Menschen in dem mit Öl gesegneten Land sehen sich schon am
Ziel – die nahe Zukunft wird zeigen, ob die nun politisch Handelnden
sich in 42 Jahren Diktatur die Kraft bewahrt haben, ein neues,
gerechtes Staatswesen aufzubauen und zu festigen. Europa, die USA,
Russland und China müssen beweisen, dass sie nicht als Besatzer und
Ausbeuter kommen, sondern in ehrlicher Absicht dem Land auf die Beine
helfen wollen. Solche Signale stoßen im afrikanischen Norden auf
höchste Aufmerksamkeit.

Machen wir uns aber nichts vor: Der Nationale Übergangsrat in
Tripolis steht vor einer Herkules-Aufgabe. Er muss das zerstörte Land
aufbauen, muss das Ölgeschäft wieder in Gang bringen – und die in
rivalisierende Stämme zersplitterte Gesellschaft unter einen Hut
bringen. Der heiße Wunsch, Gaddafi zu verjagen, hat die Libyer
geeint. Was jetzt kommt, ist ebenso schwierig. An Ruhe ist noch lange
nicht zu denken in der Region des „afrikanischen Frühlings“.

Wie staatstragend die Übergangsregierung ihre Aufgaben meistert,
wird sich am Umgang ihrer Justiz mit Gaddafi und seinen
Helfershelfern zeigen, wenn sie erst einmal hinter Schloss und Riegel
sind. Ist Libyen in der Lage, einen internationalen Maßstäben
entsprechenden Prozess zu machen, oder wäre nicht Den Haag der
bessere Gerichtsstand?

Auch auf Deutschland werden neue Anforderungen zukommen.
Verteidigungsminister de Maizière hat bereits angekündigt, im
Hinblick auf Libyen-Mandate werde es keinen deutschen Sonderweg mehr
geben – nicht in der Nato und nicht in der EU. Das birgt
innenpolitischen Zündstoff.

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