Vielleicht war Christian Lindner nur genervt,
vielleicht war es wohl abgewogene Konsequenz. Der Rücktritt des
32-Jährigen hat, egal wie seine Motive liegen, Achtung verdient. Ein
junger Mann, der sehr rasch in der Politik aufgestiegen ist und nur
geringe sonstige Berufserfahrung hat, riskiert mit solch einer
Entscheidung immer, seine Karriere gegen die Wand zu fahren. Doch
abgesehen davon, dass Lindner ein politisches Comeback zuzutrauen
ist, geht er persönlich gestärkt aus der Angelegenheit hervor. Der
wahre Verlierer ist Parteivorsitzender Philipp Rösler. Der übliche
Mechanismus, dass ein Chef bei Problemen einen Stellvertreter –
beziehungsweise in diesem Fall seinen Generalsekretär – opfert, um
eine Krise zu überstehen, greift hier nicht. Lindner selbst hatte das
Heft des Handelns in der Hand. Rösler hingegen steht als ramponierter
Vorsitzender da. Dass er mit Patrick Döring sehr rasch einen
Nachfolger für Lindner präsentieren konnte, hilft ihm nicht. Philipp
Rösler muss sich fragen lassen, ob er innerparteilich über
ausreichende Durchsetzungskraft verfügt und beim politischen
Weichenstellen das richtige Händchen hat. Von außerhalb der Partei
hagelt es harsche Kritik. Was Rösler stärker treffen wird, sind
deutliche Worte ehemaliger FDP-Größen. Vor allem Gerhart Baums
Forderung, es solle gleich das gesamte Präsidium zurücktreten, geht
sehr weit. Ihm kann man getrost unterstellen, dass ihn keine
egoistischen oder taktischen Motive treiben, sondern Sorgen um die
FDP, die er in Lebensgefahr sieht. Der Rücktritt des Generalsekretärs
ist wohl nur ein erster Schritt. Womöglich wird Philipp Rösler bald
folgen müssen. Undurchsichtig ist die Rolle des dritten Mannes in der
sogenannten FDP-Boygroup. Daniel Bahr, Chef der NRW-Partei, scheint
zu hoffen, dass er die Krise durch Abtauchen übersteht. Der Erfolg
dieser Taktik ist ungewiss. Auch wenn der populäre Rainer Brüderle
das vielleicht nicht will, könnte er sich ganz rasch an der Spitze
der FDP wiederfinden. Der 66-Jährige hätte das Zeug zum Retter der
Partei, die mit einer Rückbesinnung auf alte Stärken einher gehen
müsste. Und auch wenn diese Aussage angesichts des derzeit desolaten
Bildes der FDP schwer fällt: Eine konstruktive liberale Partei täte
der deutschen Politik sehr gut.
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