Der Innenminister zündelt. Wenn Hans-Peter
Friedrich den schon mehrmals verschobenen Beitritt Bulgariens und
Rumäniens zum Schengen-Abkommen notfalls mit seinem Veto verhindert,
bedient er Emotionen. Er gibt damit auch Rassisten Munition, die
gezielt Ängste vor Zuwanderung und speziell vor Sinti und Roma
schüren. Diese Gruppen stehen heftig in der Kritik, weil sie als
Bettler das Bild in Fußgängerzonen prägen, angeblich oft kriminell
sind und – wie Städte und Gemeinden jüngst beklagten – zu viele von
ihnen von öffentlichen Geldern leben. Friedrichs Formulierung, wer
komme, „um Sozialleistungen zu kassieren, und das Freizügigkeitsrecht
missbraucht, der muss wirksam davon abgehalten werden“, ist deshalb
gefährlich.
Andererseits ist es Friedrichs Pflicht als Minister, Schaden für
die Gesellschaft zu vermeiden. Und obwohl Bulgarien und Rumänien
bereits seit 2007 zur Europäischen Union gehören, müssen die Bürger
dieser Länder nicht automatisch die Reisefreiheit des
Schengen-Abkommens erhalten. Dass solch eine Regelung – allerdings
unter anderen Vorzeichen – funktioniert, zeigt das Beispiel
Großbritanniens und Irlands. Sie sind auch in der EU, aber keine
Schengen-Mitglieder.
Bulgarien und Rumänien haben bewiesen, dass sie bei der Bekämpfung
von Korruption und anderer Kriminalität dem europäischen Standard
hinterherhinken. Allein deshalb zögert Friedrichs zu recht. Er sollte
seine Motive allerdings gut erklären und Applaus von der
dumpf-rechten Seite zurückweisen. Da ihm zwei Drittel der Deutschen
zustimmen, muss er nicht lautstark für seinen Weg werben, sondern
kann sachlich bleiben. Er darf keine Gruppen pauschal verdächtigen –
und sogar gerne darüber informieren, dass 80 Prozent der zwischen
2007 und 2010 eingewanderten Menschen aus den beiden Ländern in
Deutschland ganz normal Steuern und Sozialabgaben zahlen.
Das Grundproblem der Europäischen Union, dass sie zu schnell
gewachsen ist und die wirtschaftlichen Unterschiede zu groß sind,
vermag Friedrich mit seinem Veto nicht lösen. Die Fehler sind früher
passiert. Die EU kann aus der jetzigen Erfahrung nur lernen, bei der
Aufnahme neuer Mitglieder konsequent darauf zu achten, ob sie
wirklich reif für die Gemeinschaft sind.
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