Westdeutsche Zeitung: Minister schockiert vor wichtiger Griechenland-Abstimmung = von Martin Vogler

Widersprüchlich ist das schon. Heute wird der
Bundestag mit klarer Mehrheit das zweite Hilfspaket für Griechenland
absegnen. Würde man die Bevölkerung fragen, fiele die Entscheidung
anders aus. Wobei nicht behauptet werden soll, dass direkte
Demokratie grundsätzlich zu den weiseren Entscheidungen führt. Doch
klar ist: Die Stimmung in Sachen Griechenland-Hilfe ist extrem
schlecht, zumal vor der Freigabe des zweiten Pakets Finanzminister
Schäuble schon laut über ein drittes nachgedacht hat. Viele Bürger
fürchten, der Geldfluss in Richtung Hellas könnte, statt zu
versiegen, sogar anschwellen und halb Europa mitreißen. Die heutige
Abstimmung wird eindeutig sein, da auch die Mehrheit der Opposition
mitzieht. Spannend sein wird lediglich, wie geschlossen die
Abgeordneten der Koalition hinter der Regierung stehen. Denn
Abweichler wie etwa Wolfgang Bosbach haben politisches Gewicht und
durchaus Freunde. Sehr bemerkenswert ist, dass mit Innenminister
Hans-Peter Friedrich erstmals ein Mitglied der Bundesregierung
Griechenland den Austritt aus der Eurozone nahelegt. Seine viel
gescholtene Äußerung – ausgerechnet kurz vor der wichtigen Abstimmung
– kann man nicht als bayrische Folklore abtun, auch nicht als kleine
Provokation der Schwesterpartei CDU oder auch der SPD. Friedrich
traut sich, das auszusprechen, was die Mehrheit der Bevölkerung denkt
– und insgeheim auch viele Mandatsträger gutheißen. Die Diskussion
über einen freiwilligen Austritt Griechenlands wird intensiver
werden. Die Idee, das Sorgenkind Griechenland in der Eurozone
loszuwerden, ihm aber durch Starthilfe eine Perspektive zu geben,
klingt für viele faszinierend. Dank einer schwachen Drachme wären
dessen Waren weltweit günstig, die Nachfrage stiege. Auch Urlauber
würden wegen der Schnäppchenpreise wieder begeistert gen Süden
ziehen. Die Gefahr dabei ist der drohende Domino-Effekt, wenn andere
Staaten sich ebenfalls verabschieden. Falls es bei einer moderaten
Verkleinerung der Euro-Zone bliebe, wäre das eventuell beherrschbar
und sogar positiv. Es könnte aber auch zum Euro-Ende führen. Das wäre
ein Desaster – vor allem für die Wirtschaftsmacht Deutschland.

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