Westdeutsche Zeitung: N E U Verfassungsgericht prüft deutsche Griechenland-Hilfe = Von Ingo Faust

Die umstrittenen Milliarden-Hilfen für
Griechenland beschäftigen seit gestern das höchste deutsche Gericht,
das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Und die neun Richter in
den roten Roben scheinen nicht besonders glücklich über den Part, den
sie spielen müssen. Schließlich haben hunderte Bürger auf
Verfassungswidrigkeit der Hilfen geklagt. Drei Fälle haben sich die
Richter herausgegriffen und wollen prüfen, ob die deutschen Gesetze
zur Griechenland-Hilfe und zum EU-Rettungsschirm gegen das
Grundgesetz oder EU-Recht verstoßen. Das ist nicht einfach. Und eines
lehnten die Richter von vorneherein ab: Eine ökonomische Debatte. Ob
die Strategie zur Bewältigung der Staatsschuldenkrise in Europa
richtig oder falsch ist, will Karlsruhe nicht bewerten. Die Grenzen,
die das Grundgesetz der Politik in solchen Fällen setzt, sollen aber
ausgelotet werden. Geprüft werden soll also vor allem, ob das
Haushaltsrecht des Bundestages wegen der gigantischen Garantiesummen
verletzt worden ist, die Haushaltshoheit des Parlaments eventuell
untergraben wurde. Bei der mündlichen Verhandlung ließ sich das
Gericht gestern noch nicht in die Karten schauen. Es forderte aber
mehrmals Belege für Grundrechtsverstöße von den Klägern –
emeritierte Professoren, Politiker sowie Konzernchefs, die als
Euro-Gegner bekannt sind. Auch stellte das Gericht die Frage, ob es
das richtige Forum für diese Probleme sei. Für Verstöße gegen
EU-Recht, das mit der in Artikel 125 verbotenen gegenseitigen
Unterstützung („No-Bail-Out-Klausel) sichtbar gebrochen wurde, sicher
nicht. Karlsruhe hat aber bisher noch nie einen Fall an den
Europäischen Gerichtshof überwiesen. Von tiefen Zweifeln geplagt,
wollen die obersten Richter offenbar dennoch bis September ein Urteil
sprechen. Ob es ebenso bürgerfreundlich ausfällt wie die jüngsten
Entscheidungen aus Karlsruhe, ist offen. Sicherlich werden die
Richter nicht die Finanzhilfen für nichtig erklären oder auf die
Einstellung der Zahlungen drängen. Aber sie werden der Regierung
Auflagen machen und sie dazu vergattern, jede einzelne Zahlung an
Griechenland oder andere genauestens parlamentarisch kontrollieren zu
lassen. Damit sinken die Chancen für die Umsetzung des neuen
EU-Rettungsfonds erheblich.

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