Westdeutsche Zeitung: Neuverschuldung = von Peter Kurz

Es klingt wie eine sehr alte Melodie, dieses
Versprechen eines ausgeglichenen Haushalts. Das Nein zu neuen
Schulden gab es schon öfter. Wie im Mai 2001, als Finanzminister Hans
Eichel ankündigte, bis 2006 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen.
Im Juli 2008 wettete sein Nachfolger im Amt, Peer Steinbrück, sechs
Flaschen Rotwein, „dass wir 2011 eine schwarze Null schreiben“. Es
kam anders. Wie in den Jahrzehnten zuvor wuchsen die Schulden. Von
1950 bis Ende 2011, so rechnet der Bund der Steuerzahler vor, stieg
die Pro-Kopf-Verschuldung von 190 auf 24 707 Euro. Dennoch wird es
auch jetzt wieder gesungen, dieses schöne Lied. Finanzminister
Schäuble summt es noch leise, wenn er „beim strukturellen Defizit
schon 2013 nahezu einen Ausgleich für möglich“ hält. Forscher tönt
der kleine Koalitionspartner. Die FDP poche auf ein schnelles Ende
der Neuverschuldung, die „schwarze Null“ sei schon 2014 möglich.
Philipp Rösler sucht seine Partei mit dem als populär erkannten Thema
aus dem Tief herauszubringen. Von der Steuersenkungs- zur Sparpartei?
Solche Töne erscheinen ganz und gar untypisch für ein
Vorwahlkampfjahr. Denn Wahlkampf heißt Wahlversprechen. Und die
kosten nun mal Geld. Der Vorsatz einer sparsamen Haushaltsführung
hingegen bedeutet: Sparen, Menschen Opfer zuzumuten. Auch wenn für
die kommenden Jahre wachsende Steuereinnahmen vorausgesagt werden,
wird es ohne Sparen nicht gehen. Wie passt es da, dass erstmal wieder
mehr Geld – mehr als eine Milliarde Euro jährlich für das neue
Betreuungsgeld – ausgegeben werden soll? Abgesehen von einer solchen
Widersprüchlichkeit im Detail schwebt über einer vorgezogenen
Schuldenbremse auch eine große Unsicherheit. Der nächste
Schuldenschnitt für Griechenland ist nur noch eine Frage der Zeit.
Und diesmal wird es, so ist zu hören, öffentliche Gläubiger treffen.
Öffentliche Gläubiger, das sind wir, die Steuerzahler. Sich das Ziel
zu setzen, schon sehr bald keine neuen Schulden mehr aufzunehmen und
nicht mehr länger auf Kosten kommender Generationen zu leben, ist
gewiss ehrenhaft. Doch darüber in Wahlkampfzeiten zu schwadronieren
und dieses Ziel auch wirklich umzusetzen, sind zwei sehr verschiedene
Dinge.

Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2370
redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de
www.wz-newsline.de

Weitere Informationen unter:
http://