Sechs Monate nach Amtsantritt hat die rot-grüne
Minderheitsregierung eine krachende Niederlage erlitten, die lange
schwächelnde Opposition aus CDU und FDP kann sich über einen großen
Sieg freuen. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik greift ein
Verfassungsgericht in die Abwicklung eines Haushalts ein. Dieses
Urteil hat Folgen von immenser Tragweite – sowohl juristisch als auch
politisch. Die Münsteraner Richter unter Anführung des als
kompromisslos und höchst unabhängig bekannten Präsidenten Michael
Bertrams haben rechtliches Neuland betreten. In den Staatskanzleien,
im Kanzleramt, in den Ministerien und den Büros der Oppositionsführer
der Republik werden die 18 Seiten, mit denen die Richter ihre
Anordnung begründen, sehr genau studiert werden. Denn erstmals fällt
ein Staatsorgan, die höchste Instanz der Judikative, einem anderen,
der Exekutive, beim zentralen Haushaltsrecht in den Arm. Das ist eine
juristische Sensation. Wenn dieses Vorgehen Schule macht, dürften die
Verfassungsgerichte in anderen Ländern, aber auch das
Bundesverfassungsgericht eine Menge zu tun bekommen. Indes: Nicht
jedes Bundesland macht in diesen eher fetten Jahren so kräftig
Schulden wie Nordrhein-Westfalen. Auch für das laufende Haushaltsjahr
läuft die Planung auf einen Verfassungsverstoß hinaus, weil die Summe
der Kredite von 7,9 Milliarden Euro die der Investitionen von rund
3,7 Milliarden Euro übersteigen soll. Fällt das Urteil in der
Hauptsache so aus, wie es sich in der einstweiligen Anordnung und vor
allem in ihrer höchst präzisen Begründung abzeichnet, bricht das
Politikkonzept von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und
ihrer Stellvertreterin, der Grünen Sylvia Löhrmann, zusammen. Denn
die verteidigen das Schuldenmachen als Prävention, weil durch teure
Sozialmaßnahmen heute weit teurere Folgekosten in der Zukunft
verhindert würden. Aus dieser Gemengelage könnten sich bis zum Sommer
eine Situation entwickeln, die eine Neuwahl notwendig macht. Im
Moment will selbst die Opposition sie nicht. Aber durch den Spruch
aus Münster muss sie sie ein bisschen weniger fürchten. Denn Rot-Grün
hat deutlich Schaden genommen.
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