Heute ist es so weit: Hannelore Kraft wird zur
ersten Ministerpräsidentin in der Geschichte Nordrhein-Westfalens
gewählt werden. Das ist ein großer Tag für sie und ein großer Tag für
die SPD – schließlich wurde die CDU nach nur einer Legislaturperiode
wieder aus der Staatskanzlei vertrieben. Doch es ist fraglich, ob aus
der neuen rot-grünen Landesregierung wirklich etwas Dauerhaftes
erwächst. Denn sie hat keine eigene Mehrheit und ist auf Stimmen von
anderen Parteien angewiesen. Heute zum Beispiel wird Kraft wohl erst
im zweiten Wahlgang gewählt. Die 90 Stimmen, die SPD und Grüne im
Landtag aufbieten können, reichen nicht, um schon im ersten Anlauf
eine Mehrheit für die künftige Ministerpräsidentin des Landes
aufzubieten. Doch das ist kein Problem: Die Linkspartei steht zur
Verfügung, macht per Enthaltung spätestens im zweiten Wahlgang den
Weg frei für Kraft. Dass in dieser Fraktion DDR-Nostalgiker und
Alt-Trotzkisten sitzen, die über das Grundgesetz oftmals nur höhnisch
sprechen, wird nicht offen thematisiert. Es herrscht der Pragmatismus
– übrigens auch bei der CDU, die gestern auch einige Stimmen der
Linkspartei für ihren Landtagspräsidenten Uhlenberg billigend in Kauf
nahm. Doch das kann nicht über die generelle Konstellation
hinwegtäuschen: SPD und Grüne sind erst einmal auf die Zustimmung der
Linken angewiesen. Sie wollen im ersten Anlauf vor allem viele
Veränderungen der abgewählten schwarz-gelben Landesregierung in der
Bildungspolitik rückgängig machen: Studiengebühren weg, Kopfnoten
weg, Grundschulbezirke weg, Turbo-Abi als Regelfall in den Gymnasien
weg. Dahinter kann sich auch die Linke als selbst erklärte
Fundamentalopposition im Parlamentarismus versammeln. Doch das ist
noch keine gestaltende Politik, sondern nur
Vergangenheitsbewältigung. Spannend wird es beim ersten Haushalt, den
Rot-Grün spätestens im nächsten Frühjahr auf den Weg bringen muss. Da
kann es angesichts der Realität nicht ohne Einsparungen vonstatten
gehen. Und da wird sich zeigen: Hat eine Minderheitsregierung die
Kraft, parteiübergreifend Mehrheiten zu organisieren. Das könnte
klappen – wenn es vernünftige Konzepte gäbe.
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