Hannelore Kraft ist unerwartet schnell
eingeknickt. Wobei ihr die Version, eine Interview-Äußerung von
FDP-Chef Andreas Pinkwart habe sie zum Handeln getrieben, kaum jemand
abnimmt. Ihre Motive sind anders: Sie will an die Macht – was ja in
der Politik nicht ehrenrührig ist. Zudem hielt sie dem wachsenden
Druck nicht mehr stand. Die Grünen lockten. Und ständig mehr
SPD-Parteifreunde drängten sie, eine Minderheitsregierung zu wagen.
Vor allem Berliner Sozialdemokraten wünschen sich das. Sie hoffen,
dank veränderter Machtverhältnisse im Bundesrat schwarz-gelbe Politik
blockieren zu können. Insofern kann man Kraft verstehen.
Ein rot-grünes Kabinett kann für NRW vorteilhaft sein. Zumindest
hat die bisherige Hängepartie erstmal ein Ende. Und die künftige
Regierung hat trotz fehlender Mehrheit eher die Chance, aktiv Politik
zu gestalten als die jetzige geschäftsführende Regierung. Denn den
Neuen fehlt nur eine Stimme – statt elf bei Schwarz-Gelb. Krafts
Hoffnung: Falls es ihr nicht gelingt, mit gemäßigten
Sachenentscheidungen Stimmen von CDU oder FDP zu gewinnen, wird sich
halt wenigstens ein Befürworter aus der Linkspartei finden.
Genau das ist allerdings die Achillesferse Krafts: Sie liefert
sich den Linken aus, nähert sich der „Ypsilanti-Falle“, was sie
bislang strikt vermeiden wollte. Sie braucht zum Regieren Leute, die
sie selbst zumindest für nicht regierungstauglich hält, deren
Demokratieverständnis viele in Frage stellen und deren Kandidatin für
das Bundespräsidentenamt just am gestrigen 17. Juni wieder mal
feststellte, die DDR sei kein Unrechtsstaat gewesen. Kraft wird auch
nicht verhindern können, dass sie bereits in einem der ersten drei
Durchgänge mit Linken-Stimmen zur Ministerpräsidentin gewählt wird.
Niemand kann die Linken zur Enthaltung zwingen, damit Kraft dieser
Makel erspart bleibt.
Doch wie könnte es nach einer Wahl weiter gehen? Die Erfahrung
lehrt, dass Minderheitsregierungen es – mit Ausnahme von
Sachsen-Anhalt – selten lange schaffen. Das könnte bedeuten, dass wir
etwa beim Scheitern des Haushaltsplans doch Neuwahlen bekommen. Oder
viel brisanter: Wenn nur einer der elf linken Abgeordneten zur SPD
überträte, könnte sich Kraft auf eine Mehrheit stützen.
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