Westdeutsche Zeitung: Patienteninteresse muss Vorrang haben Ein Kommentar von Peter Kurz

Ärzte dürfen nicht das Interesse Dritter über
das Wohl der Patienten stellen – heißt es in der Berufsordnung der
Ärzte. Dass sie auch ihr eigenes Wohl nicht über das der Patienten
stellen dürfen, erschien den Standespolitikern offenbar so
selbstverständlich, dass sie dies gar nicht erst erwähnten. Doch eben
das passiert durchaus – wie der vom Bundesgerichtshof entschiedene
Fall zeigt: Ärzte hatten als Prämie für die Verordnung von
Arzneimitteln Provisionen kassiert.

Die Richter mussten den Fall am Maßstab des Strafgesetzbuchs
messen. Sie kamen dabei zu dem Ergebnis, dass sowohl die an dem
Geschäft beteiligten Ärzte als auch die das Geld versprechenden
Mitarbeiter des Pharmaunternehmens straffrei ausgehen. Das ist
juristisch nachzuvollziehen. Denn die Paragrafen, die Bestechung und
Bestechlichkeit unter Strafe stellen, setzen nun mal voraus, dass der
Arzt Amtsträger ist. Was bei seiner freiberuflichen Stellung kaum zu
begründen ist.

Dennoch war auch den Bundesrichtern nicht wohl bei dieser
Entscheidung. Denn sie taten etwas, was Richter selten tun: Sie
rechtfertigten ihr Urteil mit einem „Wir können nicht anders.“ Das
Verhalten sei nach dem geltenden Strafrecht straflos. Und: Der
Gesetzgeber könne das durchaus anders regeln.

Eben das sollte er tun. Es geht hier nicht nur um ein Geschäft
zwischen zwei Beteiligten – Arzt und Pharmaindustrie. Von den Folgen
der verschwiegenen Abmachung sind auch andere betroffen: die
Pharmafirmen, die solche Methoden nicht praktizieren und deshalb den
Kürzeren ziehen. Des weiteren die Krankenkassen und ihre
Beitragszahler, die mehr für Medikamente bezahlen müssen, weil ja
auch das Schmiergeld eingepreist wird.

Vor allem aber geht es um den Patienten. Weil bislang nicht klar
war, ob ein solches Verhalten strafbar war, konnte man davon
ausgehen, dass es nur wenige schwarze Schafe waren, die hier etwas
riskierten. Nun, da die Straflosigkeit höchstrichterlich feststeht,
kann sich kein Patient mehr sicher sein, ob nicht auch sein Arzt das
Verschreibungsverhalten an freundlichen Gaben der Pharmavertreter
orientiert. Es müsste auch im Interesse der Ärzteschaft liegen, das
Patientenvertrauen wieder zu garantieren – indem unlauter agierenden
Kollegen das Handwerk gelegt wird.

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