Westdeutsche Zeitung: Politischer Schlingerkurs in Sachen Entfernungspauschale = von Martin Vogler

Es kursiert die bitter-köstliche Geschichte
eines Kölner Taxifahrers, der vor dem Tanken für zwei Minuten auf der
Toilette verschwand. Als er zurückkam, war der Literpreis um satte 13
Cent gestiegen. Solche Erlebnisse machen wütend. Sogar die
Zwei-Euro-Grenze könnte bald kein Tabu mehr sein. Gerade in einem
Wahljahr wie 2012 nehmen Politiker liebend gerne diese Empörung auf
oder setzen sich sogar an die Spitze der Bewegung. Der Ruf nach einer
höheren Kilometerpauschale folgt reflexhaft. Einen bemerkenswerten
Schlingerkurs fährt vor allem die Union. Die CSU, in deren ländlichem
Stammland das Auto einen hohen Stellenwert besitzt, liebäugelt schon
lange mit einem höheren Betrag. Jetzt springt ihr die NRW-CDU bei,
während die Kanzlerin von dem Thema nichts wissen will. Verwirrend.
In der Tat wäre es richtig, die Autofahrer zu entlasten. Ob
allerdings die Entfernungspauschale der richtige Weg ist, darf man
bezweifeln. Denn von deren Änderung würden ebenso die Nutzer anderer
Verkehrsmittel profitieren. Auch ist Gerechtigkeit kaum zu erreichen,
wenn man fragt, warum jemand einen langen Weg zur Arbeit hat. Falls
er seinen Job verloren hat und für die neue Stelle eine weite Strecke
zurücklegen muss, scheint eine höhere Entlastung gerechtfertigt. Aber
ist sie es auch, wenn er viel Geld spart, weil er sein Traumhaus weit
draußen gebaut hat und deshalb täglich länger fahren muss? Solche
Beispiele zeigen, dass eine gerechte Lösung kaum zu finden ist. Dann
gibt es noch jene Gruppen, die aus ideologischen Gründen Autofahrer
gar nicht entlasten wollen. Sie finden, man solle diese ruhig etwas
quälen, dann stiege deren Bereitschaft, etwa auf den öffentlichen
Nahverkehr umzusteigen. Ein hehres Ziel – das leider in vielen Fällen
nicht praktikabel ist. Den einzig richtigen Weg gibt es nicht.
Dennoch wird der Druck, die Last der Autofahrer zu mildern, mit jeder
Preissteigerung an der Zapfsäule zunehmen. Statt die
Kilometerpauschale zu erhöhen, die Mineralölsteuer zu senken, könnte
sinnvoll sein. Ebenso sind moderne Autos mit geringem Verbrauch oder
anderen Antriebsstoffen interessant. Erfindergeist ist gefragt, denn
ohne Individualverkehr würde unsere mobile Gesellschaft ärmer.

Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2370
redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de
www.wz-newsline.de

Weitere Informationen unter:
http://