Westdeutsche Zeitung: Putin legt auf der Krim die Regeln fest Ein Kommentar von Peter Lausmann

Putin reizt die Grenzen der Geopolitik nach
Belieben aus. Dass er sich nachträglich einen Blankoscheck vom
Parlament ausstellen lässt, um dem Ganzen den Anschein der
Rechtsstaatlichkeit zu geben, ist eine Farce. Die Duma ist ohnehin
seine Marionette. Seit Tagen operieren seine Soldaten auf der Krim im
russischen Interesse. Dass sie es ohne Hoheitszeichen tun, beweist,
dass Putin davon ausgeht, die Regeln bestimmen zu können. Nach der
diplomatischen Niederlage, die er durch Janukowitschs Sturz erlitten
hat, hat er nun die militärische Phase eröffnet durch den
schleichenden Einmarsch auf der Krim. Die Botschaft ist klar: Moskau
gibt die Ukraine nicht verloren und ist bereit, eine Eskalation der
explosiven Lage herbeizuführen, um Einfluss zurückzugewinnen.

Wer sollte ihn auch aufhalten? Die UN sind durch Pekings und
Moskaus Vetorecht im Sicherheitsrat blockiert. Die EU machte schon in
der diplomatischen Phase eine schlechte Figur und hat angesichts
militärischer Mittel keine Antwortmöglichkeit. Die USA haben derweil
in Syrien bewiesen, dass sie nicht mehr bereit oder in der Lage sind,
Drohungen auch Taten folgen zu lassen. Erst recht nicht auf
postsowjetischem Terrain. Die Ukraine ist nahezu auf sich allein
gestellt.

Putin scheint freie Bahn zu haben – doch mit welchem Ziel? Eine
Spaltung der Ukraine kann nicht in seinem Sinne sein. Damit verliert
er den Westen des Landes. Seiner als Gegengewicht zur EU angestrebten
Eurasischen Union würde ein wichtiger Teil fehlen. Auch ein
Bürgerkrieg direkt an Russlands Landesgrenzen birgt große Risiken.
Wahrscheinlich scheint es daher, dass er mit militärischen Mitteln
Druck ausübt, um den pro-russischen Kräften mehr Einfluss bei der
Neusortierung der Ukraine zu verschaffen.

Es ist also an der Übergangsregierung in Kiew, schnell wieder
staatliche Strukturen herzustellen, um der russischen Strategie etwas
entgegenzusetzen. Die Einberufung der Reservisten ist dafür ein
erstes Zeichen. Auf allzu viel Hilfe aus dem Ausland kann Kiew aber
nicht hoffen. Und sollte es auch nicht: Denn jede Unterstützung ist
Wasser auf die Mühlen von Putins Propaganda, die die
Übergangsregierung als faschistische Marionette des Westens
darstellt.

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