Welche Geldsumme ist geeignet, das Leid eines
Vergewaltigungsopfers „auszugleichen“? Die Antwort dürfte klar sein:
Nichts kann ein solches Martyrium ausgleichen – nicht 50 000, nicht
100 000 und auch nicht 200 000 Euro. Dennoch: Das Urteil des
Wuppertaler Landgerichts im Fall der damals 16-jährigen
vergewaltigten jungen Frau ist ein wichtiges Signal. Die bisher in
solchen Fällen maximal zugesprochene Summe von 50 000 Euro wurde im
Ergebnis glatt verdoppelt. Zwar muss das Urteil noch rechtskräftig
werden – der Anwalt des Vergewaltigers hat Rechtsmittel angekündigt
-, doch auch so dürfte der Richterspruch seine Wirkung entfalten und
andere Gerichte ermuntern, ihre bisher oft zu niedrigen Maßstäbe zu
korrigieren. Sogenannte Schmerzensgeldtabellen, an denen sich bisher
von Gerichten zugesprochene Summen orientieren, sind keine in Stein
gemeißelten Gesetze. Es sind Sammlungen von Urteilssprüchen, die die
Gerichte in vergleichbaren Fällen – häufig sind es
Schmerzensgeldforderungen nach Unfällen – getroffen haben. Findet nun
der Wuppertaler Richterspruch mit dem 100 000-Euro-Schmerzensgeld
Eingang in diese Fallsammlungen, dürfte das auch andere Richter
ermutigen, höhere Summen zuzusprechen. Schmerzensgeld hat nach
deutschem Recht zwei Funktionen. Zum einen soll es einen Ausgleich
für erlittene Schmerzen darstellen. Zum anderen hat es aber auch eine
sogenannte Genugtuungsfunktion für das Opfer. Spiegelbildlich dazu
soll es dem Täter eine Sühne auferlegen. Nun ließe sich aus
Tätersicht argumentieren, dass dem Sühnegedanken doch schon durch das
Strafurteil entsprochen wurde – in diesem Fall waren es zwölfeinhalb
Jahre Haft. Doch abgesehen davon, dass einem Vergewaltigungsopfer in
einem quälenden Strafverfahren und der damit verbundenen
schmerzhaften Aufarbeitung des Geschehens auch viel abverlangt wird:
Die durch das Strafverfahren dem Täter auferlegte Sühne liegt im
Interesse der Gesamtgesellschaft. Der Vergewaltigten eine darüber
hinausgehende individuelle Genugtuung zu verschaffen, ist ein
deutliches Signal der Gesellschaft, dass sie sich hinter das Opfer
und gegen den Täter stellt.
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